Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
unsere innige Begrüßung. »Wir sind spät dran. Safa wartet sicher schon am Schultor auf uns.«
In der glühenden Mittagshitze gingen wir zum Parkplatz hinüber, wo ein kleiner grauer, ziemlich zerbeulter Peugeot auf uns wartete. Wie die meisten Autos hier hatte auch dieses Fahrzeug keine Klimaanlage. Im Wagen war die Hitze kaum auszuhalten, die Luft war stickig und trocken.
»Darf ich das Fenster öffnen?«, fragte ich Fardouza, die neben mir am Steuer saß.
»Nein!«, antwortete sie schnell.
Da hatte ich den Knopf jedoch bereits gedrückt, und die Fenster waren geöffnet.
»Sie lassen sich leider nicht mehr schließen, der Mechanismus ist kaputt«, murmelte Fardouza und fuhr aus der Parklücke.
Ich schloss die Augen und genoss den Fahrtwind. Erst später wurde mir klar, warum geschlossene Fenster besser gewesen wären.
Der Flughafen war nicht weit von Safas Schule entfernt, einer französischen Privatschule. Mehr als tausend Mädchen und Jungen aus dreißig verschiedenen Nationen besuchten die französische Schule, die so teuer war, dass kein normalsterblicher Einheimischer sie sich leisten konnte. Daher wurden hier, ebenso wie in einer weiteren Privatschule in Dschibuti, ausschließlich Kinder von meist ausländischen Diplomaten, Politikern und Unternehmern unterrichtet. Safa war die große Ausnahme und das einzige Mädchen, das tagtäglich aus den Slums von Balbala hierhergebracht wurde. Jeder in der Schule kannte ihre ungewöhnliche Geschichte und wusste, dass sie ein kleiner Filmstar war.
Als wir vor dem großen weißen Gebäude mit der Aufschrift »École de la Nativité« ankamen, stand bereits eine Menschentraube vor dem Schultor. Zumeist waren es Eltern, denen ihre Kinder mit im Verhältnis zu ihren zarten Körpern riesigen Schultaschen auf dem Rücken entgegenliefen. Einige andere Schüler steuerten auf die großen wartenden Autos zu, wo ihnen ein Privatchauffeur elegant die Tür öffnete.
Es war schön, das lustige, von lautem Kindergeschrei begleitete Treiben zu beobachten. Prompt schlug mein Mutterherz höher. Wie mochte es wohl meinem kleinen Leon, meiner Nichte Hawo und meinem Neffen Mo gehen? Schnell verdrängte ich mein schlechtes Gewissen wieder, das vermutlich jede berufstätige Mutter nur zu gut kennt. Ich wusste meine Kinder bei meinem Kindermädchen und gleichzeitig meiner engen Freundin Senait, die in meinem Haus in Danzig auf die drei aufpasste, bestens aufgehoben. Mit Sicherheit hatten sie Verständnis dafür, dass ich meine Reise, die mich ursprünglich nur für zwei Tage nach Brüssel hätte führen sollen, unfreiwillig verlängern musste, um ein anderes Kind zu retten. Ein Kind, das nicht so behütet aufwachsen konnte wie sie.
Über dem Schulparkplatz hing jetzt eine riesige Staubwolke, die der Tross der abfahrenden Autos aufgewirbelt hatte. Joanna, Fardouza und ich stiegen aus dem Wagen, um Ausschau nach Safa zu halten.
»Ich kann sie nirgends entdecken«, sagte Fardouza, die wegen des vielen Staubs die Augen zusammengekniffen hatte. »Ich hoffe, wir haben sie nicht verpasst.«
Linda war in dem kleinen Peugeot sitzen geblieben und hustete lautstark. Eine Sandwolke war durch die unverschließbaren Fenster in das klapprige Auto geweht worden und hatte sich in dicken Schichten auf das Armaturenbrett und Lindas Bronchien gelegt. Auch ich konnte Safa nirgendwo vor und hinter dem Schulgatter entdecken. Daher bat ich Linda, die sich eben aus dem Fahrzeug zwängte, in der Nähe des Wagens zu bleiben, und wollte losstiefeln. Als sie sich aufrichtete, musste ich schallend lachen. Die Französin war über und über mit grauem Staub bedeckt und sah aus wie ein Gespenst. Prustend rieb sie sich die Augen.
Noch immer schmunzelnd betrat ich das Schulgelände und bahnte mir den Weg durch die aus dem Gebäude strömende Kinderschar. Jedem einzelnen Schüler blickte ich ins Gesicht, in der Hoffnung, endlich Safa zu finden. Doch sie war nicht da.
Joanna und ich wurden allmählich unruhig. Wo blieb denn nur unser kleines Mädchen, der Anlass für unsere weite Reise? Nach und nach leerten sich das Schulgelände und die davor liegende Straße. Es wurde immer stiller, und unsere Rufe nach Safa wurden immer lauter.
»Wartet hier auf mich«, sagte Fardouza schließlich. »Ich suche Safas Klassenlehrer. Er wird ja wohl wissen, wo die Kleine ist.«
Wenig später kehrte sie mit ratlosem Gesicht zurück.
»Was ist?«, fragte ich und konnte meine Anspannung kaum verbergen.
»Safa hat die Klasse
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