Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
Vom Netzwerk:
habe. Dank der Desert Flower Foundation habe ich den Mut dazu, weil ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Aber leider sehen viele Menschen hier in mir eine Gefahr für ihr verbohrtes, starres und frauenfeindliches System.«
    Stumm vor Entsetzen hörte ich ihr zu.
    Inab erzählte weiter, dass sie es einmal gewagt habe, ohne Kopftuch zur Schule zu gehen. »Schon auf dem Weg dorthin haben die kleinen Kinder mit dem Finger auf mich gezeigt. Aber das bin ich ja ohnehin gewohnt. Dann kamen jedoch die ersten Beschimpfungen von Erwachsenen. »
Sharmuto
 – Hure«, haben sie mir nachgerufen und sogar mit Steinen nach mir geworfen.« Die Achtzehnjährige blickte traurig zu Boden. Wochenlang habe sie sich nach diesem Vorfall nicht aus ihrem Haus getraut. »Als mein Vater von der Geschichte erfuhr, wurde er sehr böse. Er schrie und schimpfte: ›Du bist die einzige Frau im Haus, wenn sie dich töten, wer kümmert sich dann um die Familie? Wer kocht für uns, wer bringt die Kleinen zur Schule, und wer hält die Verbindung zu dieser Desert Flower Foundation, die uns die Lebensmittel liefert?‹ Danach hat er mich fürchterlich verprügelt.«
    Ich spähte aus der Hütte zu Fardouza, konnte sie jedoch nirgends entdecken. So etwas durften wir nicht dulden!
    Inab hielt kurz inne und fügte schließlich leise hinzu: »Dass mein Bruder Idriss, der damals immerhin schon fünfzehn war, auch Aufgaben hätte übernehmen können, ist meinem Vater gar nicht in den Sinn gekommen. Er ist schließlich ein Mann.«
    Ich hörte diesem zierlichen Geschöpf aufmerksam zu. Obwohl sie klein und dünn war, hatte sie einen unglaublich starken Willen. Eines Tages würde sie ein besseres Leben führen. Sobald ihre Schwestern groß genug wären, würde sie ihren eigenen Weg gehen und gegen das Unrecht kämpfen, das den Frauen in Afrika angetan wird, dachte ich. Sie war aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ich.
    Ich legte ihr einen Arm um die Schultern und sagte: »Du wirst für die Desert Flower Foundation arbeiten und bekommst unsere volle Unterstützung, denn wir beide kämpfen für die gleiche Sache.«
    Das Mädchen umarmte mich und schmiegte den Kopf an meine Brust. »Danke, Mama! Aber wir müssen mit unserer Arbeit in Dschibuti-Stadt beginnen, dort leben viele junge und aufgeschlossene Menschen, die wir leichter erreichen können. Wenn die Menschen hier in der Wüste erst hören, dass die Mädchen in der großen Stadt nicht mehr beschnitten werden, dann hat das eine Vorbildfunktion. Am Ende wollen alle nur das eine: weg von hier, in die Stadt.«
    Plötzlich stand Inabs Bruder Idriss in der Tür. Der hagere Junge war inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen. Seine Augen funkelten im Halbdunkel der Hütte.
    »Ich will nicht nach Dschibuti-City, sondern nach Europa«, unterbrach er unser Gespräch. Dass ich nur seine Schwester und Safa zu dieser Reise eingeladen hatte, lag ihm offenbar immer noch schwer im Magen.
    »Was genau willst du dort machen?«, fragte ich ruhig. »Du hast nicht mal die Schule beendet, du hast keinen Beruf erlernt. Denkst du, es wartet jemand auf dich in Europa?«
    Idriss verdrehte nur die Augen und murmelte: »Aber ich will unbedingt nach Europa, bitte nimm mich mit!«
    Ich wurde wütend. »Warum willst du unbedingt dorthin? Wer hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
    Verunsichert sah er mich an. »Also, in meiner Schule wollen alle nach Europa, keines von den über tausend Kindern will hierbleiben. Was sollen wir hier auch machen? In Dschibuti gibt es nach der Schule keine Jobs, selbst in der Stadt haben junge Leute mit abgeschlossenem Studium kaum Chancen auf Arbeit. Soll ich mich etwa wie alle anderen an den Straßenrand setzen und Kath kauen?«
    »Nein, natürlich nicht«, entgegnete ich, »aber du könntest genauso wie Inab für die Desert Flower Foundation arbeiten. Wir brauchen hier wirklich jeden.«
    Idriss senkte wortlos den Kopf. Statt auf mein Angebot einzugehen, betonte er noch einmal: »Ich will nach Europa, okay?«
    Der Junge, der meinen inzwischen verstorbenen Bruder »Alter Mann« im Film so herzerwärmend dargestellt hatte, schien ein hoffnungsloser Fall zu sein.
    »Mama, dein Tee ist fertig«, riefen Hibo und Hamda aus der anderen Hütte im Chor und brachten in einem zerbeulten Aluminiumbehälter heiß dampfenden Schwarztee. »Wir haben dir zur Feier des Tages extra viel Zucker hineingetan, er ist jetzt wirklich gut.« Stolz präsentierte Hamda ihr Werk.
    Die Somalier mögen ihn sehr süß, und auch ich

Weitere Kostenlose Bücher