Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
verhindern, sondern auch jenen helfen wollten, die bereits an den schrecklichen Folgen des Martyriums litten. Im letzten Jahr hatte die Desert Flower Foundation deshalb in der ganzen Welt Ausschau nach Ärzten gehalten, die in der Lage waren, verstümmelten Frauen ein neues, schmerzfreies Leben zu schenken. Ein Leben, in dem auch wieder eine halbwegs normale Sexualität möglich war.
Just als sie der Achtzehnjährigen davon erzählen wollte, kehrte Idriss mit seiner Tochter an der Hand vom Flohmarkt zurück. Inab war sichtlich enttäuscht, da sie nur zu gerne gewusst hätte, wie und vor allem wann wir ihr helfen konnten. »Lass uns ein anderes Mal in Ruhe darüber sprechen«, versuchte die Foundation-Mitarbeiterin das Mädchen zu trösten.
»Wir haben so schöne Sachen gekauft«, plapperte Safa begeistert drauflos und streckte Inab und Sophie stolz ein abgegriffenes Comicheft entgegen. »Papa hat ein Zigarettenetui gefunden!«
Idriss holte eine blecherne Schatulle mit Verzierungen darauf aus seiner Hosentasche, öffnete sie und nahm gleich eine Zigarette heraus.
»Oh, die wird er aber oft auffüllen müssen«, sagte Sophie mit einem Lachen.
Im Hotel wartete eine erfreuliche Nachricht auf die erschöpfte Gruppe.
»Ihr vermisstes Gepäck ist angekommen«, flötete die junge Dame an der Rezeption und zeigte auf die zwei Taschen, deren desolater Zustand auf die Herkunft ihrer Besitzer schließen ließ. Freudestrahlend nahmen Idriss, Inab und Safa ihr spärliches Reisegepäck und schleppten es zum Lift.
»Du musst unbedingt mitkommen.« Safa zog ihre neue Freundin Sophie in ihr Zimmer, ließ die Tasche fallen und öffnete sie hastig. »Das hier ist ein Kuchen aus Dschibuti.« Stolz hielt sie ihr eine zerquetschte Torte in einem geflochtenen Korb unter die Nase. »Der ist für dich. Und für Waris. Und für die Leute in eurem Büro in Wien. Und überhaupt für alle.«
Sophie fand es rührend, wie bemüht das kleine Mädchen war, allen ein Geschenk zu machen. Es zeigte, wie dankbar sie für diese Reise war. »Wow, das ist aber nett von euch. Wir werden ihn alle zusammen essen, wenn wir Waris treffen«, bedankte sich Sophie.
»Wann treffen wir Waris endlich?«, fragte Inab, die sich zu ihnen auf den Boden gesetzt hatte.
»Wisst ihr was?« Sophie wollte den Mädchen nun auch eine Freude machen. »Wir rufen sie einfach schnell an.« Jubelnd hüpften Inab und Safa durchs Zimmer. »Ihr müsst ein bisschen leiser sein«, Sophie legte den Zeigefinger an ihre Lippen, »sonst höre ich nicht, wenn sie rangeht.«
»Hallo, Waris?«, hörte ich sie sagen, nachdem ich im fernen Polen abgehoben hatte. »Neben mir sitzen zwei junge Damen, die gerne mit dir sprechen möchten.«
Es raschelte, dann trällerte Safa fröhlich in den Hörer: »Hallo, Waris. Ich bin es, die kleine Wüstenblume.«
Endlich hörte ich die Stimme meines Patenkindes wieder, das mir in Dschibuti so sehr ans Herz gewachsen war. Ohne Luft zu holen, erzählte sie minutenlang von ihrem Aufenthalt in Paris, was sie schon alles gesehen hatten und natürlich von dem Kuchen.
»Vielen Dank, da freue ich mich aber sehr drauf«, sagte ich. »Als Nächstes fahrt ihr zusammen mit Sophie nach Wien in unser Büro«, kündigte ich Safa an. »Dort wird sie euch zeigen, wie hart wir daran arbeiten, möglichst viele Mädchen zu retten. Mädchen wie dich, Safa. Danach sehen wir uns endlich wieder und machen uns eine schöne Zeit zusammen.«
Safas Freude war nicht zu überhören. Nachdem sie sich mit einem Schmatz verabschiedet hatte, reichte sie das Telefon an ihre große Freundin weiter.
»Hallo, Inab, wie geht es dir?«, fragte ich die Achtzehnjährige.
»Heute nicht so gut«, antwortete diese ehrlich. »Ich habe Schmerzen.«
Ich fragte nicht weiter nach, denn ich konnte mir ausmalen, wie es ihr ging. »Inab, du weißt, dass wir dir helfen werden, wenn du das möchtest«, sagte ich daher nur.
Wir hatten uns in den letzten Monaten bei der Foundation intensiv mit dem Thema Rückoperationen befasst und standen sozusagen in den Startlöchern für einen neuen zusätzlichen Zweig unserer Arbeit. Ob die junge Frau in eine OP einwilligen würde, nach allem, was man ihr in der Vergangenheit angetan hatte, war mehr als fraglich. Da ich dieses sensible Thema nicht am Telefon besprechen wollte, sagte ich nur knapp: »Wir reden darüber, wenn wir uns in Deutschland treffen.«
»Mal sehen«, gab sich Inab skeptisch. Sie konnte wohl nicht recht glauben, dass es
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