Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
tatsächlich eine Lösung für ihr Problem gab. Mit einem kurzen »Ciao« verabschiedete sie sich von mir und gab Sophie das Telefon zurück.
Traurig blickte ich auf mein Handy, nachdem ich aufgelegt hatte. Hoffentlich enttäuschen wir Inabs Erwartungen nicht, dachte ich schweren Herzens.
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14.
Sorge um Safa
L angsam neigte sich der Aufenthalt der ungewöhnlichen Reisegruppe in Paris dem Ende zu. Idriss hatte sich verändert. Er verschwand nicht mehr urplötzlich wie in den Tagen davor, unterhielt sich nett mit Sophie und den Mädchen und zeigte Interesse an der Stadt und ihren Sehenswürdigkeiten. Zwar rauchte er nach wie vor wie ein Schlot und ließ keine Gelegenheit aus, Alkohol zu trinken, aber alles in allem wirkte er aufgeschlossener und freundlicher. Sophie wusste nicht, woran es liegen konnte, entschied aber, ihm mehr Vertrauen zu schenken und ihm einen Vormittag ohne Kinder und Sightseeing zu gönnen. Er blieb also im Hotel, während sie mit den beiden Mädchen noch mal zum Shoppen wollte.
Inab und Safa hatten sich ebenfalls gewandelt. Anfänglich unsicher und verkrampft, bewegten sie sich inzwischen wie kleine Europäerinnen in den Straßen von Paris. Unser Plan, die drei Afrikaner in Frankreich langsam an das europäische Leben zu gewöhnen, war aufgegangen. Rolltreppen, Schranken und U-Bahnen waren längst keine Hürden mehr für unsere Gäste, und auch die Kleiderberge in den Läden beeindruckten sie kaum noch. Wie schnell sich Menschen auf veränderte Lebenssituationen einstellen können, egal ob bessere oder schlechtere, dachte Sophie, als sie zu dritt ein Kaufhaus betraten. Während Inab sich wie beim letzten Mal kaum zurückhalten konnte und am liebsten alles haben wollte, was sie sah, war Safa erneut mehr als bescheiden. Sie verstand gar nicht, wieso sie schon wieder shoppen gingen, schließlich war ihr Gepäck inzwischen angekommen.
Sophie erlaubte den Mädchen, ihre neuen Sachen gleich anzuziehen, und als Safa in einem weißen Rüschenkleid den Vorhang der Kabine öffnete, war sie sprachlos. Der weiße Stoff betonte die zarte, dunkle Haut der Kleinen, und über dem Ausschnitt war die Kette mit der Hand Fatimas zu sehen, die ich meinem Patenkind geschenkt hatte. Spontan zückte Sophie ihr Smartphone und schoss ein Foto.
Doch als sie das Bild heranzoomte, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen unter Safas Auge einen dunklen Fleck. Erschrocken betrachtete sie das Gesicht des Mädchens und fuhr behutsam über die Stelle, die ganz aus der Nähe betrachtet sogar noch schlimmer aussah als auf dem Foto.
»Autsch!«, quietschte Safa.
»Was hast du da?«, fragte Sophie beunruhigt.
Safa drehte sich weg. »Keine Ahnung. Am Bein habe ich auch so was.« Sie hob das Kleid und zeigte auf einen ähnlichen Fleck an ihrem Oberschenkel. Ängstlich sah sie zu Sophie hoch.
»Keine Sorge, wir werden das anschauen lassen«, beruhigte diese das Mädchen.
Während sie anschließend an der Seine entlangspazierten, beachtete Sophie die beiden Mädchen kaum. Zu sehr spukten ihr die dunklen Flecken, die sie auf Safas Haut entdeckt hatte, im Kopf umher.
War Safa krank? Handelte es sich womöglich gar um Blutergüsse? Schlug Idriss etwa seine Tochter? Der Afrikaner ging mitunter recht derb mit dem Mädchen um, und sie hatte mehrfach aus der Ferne beobachtet, dass er die Kleine anschrie, weil sie etwas nicht so gemacht hatte, wie er es wollte. Körperliche Gewalt war ihr allerdings noch nie aufgefallen. War mein geliebtes Patenkind am Ende nicht nur von der Beschneidung bedroht, sondern wurde von seinem Vater misshandelt?
Sophie konnte es zwar nicht recht glauben, dennoch musste sie der Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen und beschloss, Idriss darauf anzusprechen.
Zurück im Hotel, war er jedoch erneut verschwunden.
»Der Herr hat vor gut einer Stunde unser Haus verlassen«, berichtete ihr der Concierge.
Vermutlich sucht er wieder die Botschaft, um sich und seiner Familie ein Leben in Europa zu sichern, überlegte Sophie. Doch bevor sie sich Sorgen machen konnte, fing Safa mitten in der Hotellobby an zu quengeln und lenkte sie ab.
»Ich wollte Papa doch mit meinem neuen Kleid überraschen«, sagte sie und schürzte traurig die Lippen.
»Bringt ihr schon mal die Einkäufe auf euer Zimmer«, bat Sophie die Mädchen. »Ich suche ihn so lange.«
Erschöpft und wütend zugleich trat Sophie hinaus auf die Straße und zündete sich eine Zigarette an. Die Geschehnisse der letzten Tage, die große Verantwortung
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