Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
begannen zu glänzen.
Vorsichtig fragte Sophie nach. »Weißt du eigentlich, warum deine Mutter damals fortgegangen ist?« Für sie war ein solches Verhalten schlicht unvorstellbar.
»Maman ist krank«, erklärte Inab mit bebender Stimme. »Deshalb ist sie vor einigen Jahren nach Äthiopien zu ihrer Familie gegangen, um sich zu erholen und gepflegt zu werden. Wir dachten erst, sie bleibt nicht lange fort, aber dann sind die Jahre vergangen und sie ist nicht wiedergekommen.« Nachdenklich starrte die junge Frau in ihren Eisbecher, in dem nur noch ein kleiner grüner Plastiklöffel steckte. »Aber vor vier Wochen stand sie plötzlich wieder vor unserer Tür.«
Überrascht von dieser Neuigkeit, beugte sich Sophie vor. »Wirklich? Das ist ja unglaublich!«
»Ja, wir konnten es auch kaum fassen. Über fünf Jahre war sie weg«, sagte Inab, der nun Tränen über die Wangen liefen. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich darüber bin, dass sie endlich zurück ist. Jetzt sind wir wieder eine richtige Familie. Und ich muss mir nicht ständig Sorgen um meine Schwestern machen, während ich hier bin. Weißt du, Sophie, für meine Schwestern würde ich alles tun.«
Die Mitarbeiterin der Desert Flower Foundation konnte Inabs Gefühle nur zu gut nachvollziehen. Auch sie stammte aus einer kinderreichen Familie und war stets für ihre Geschwister da. »Erzählst du mir von deinen kleinen Schwestern?«, fragte Sophie, die nun einen Arm um Inabs Schultern gelegt hatte.
»Sie heißen Hibo und Hamda. Hamda ist die Ältere, sie ist 2002 geboren und geht schon zur Schule«, erklärte Inab. »Hibo ist vier Jahre jünger, sie wird nach den Ferien eingeschult.« Die Mädchen waren also elf und sieben Jahre alt. »Ja, ich glaube, das stimmt«, überlegte Inab unsicher.
In den letzten Tagen war Sophie schon öfter aufgefallen, dass auch Idriss und Safa, wenn es um ihre Geschwister, Eltern oder Freunde ging, nie genaue Altersangaben machen konnten. Sogar ihr eigenes Alter schienen sie bloß zu schätzen.
Nachdem der Akkordeonspieler ihnen seinen Hut mit der Bitte um eine kleine Gabe unter die Nase gehalten und Sophie ein paar Münzen hineingeworfen hatte, fragte Sophie Inab leise, ob sie ihr noch eine persönliche Frage stellen dürfe. Sie machte sich Sorgen um die beiden Schwestern der Afrikanerin.
Inab sah sie skeptisch an, willigte jedoch schließlich mit einem leichten Nicken ein.
»Stimmt es, dass deine Schwestern bisher nicht beschnitten wurden?«
»Ja«, antwortete das Mädchen. »Ich habe wie eine Wilde dafür gekämpft, dass ihnen diese Qual nicht auch angetan wird.« Sie fasste mit der rechten Hand auf ihren Unterleib, der jetzt offenbar wieder heftig schmerzte. »Aber ich habe es geschafft. Die Beschneidung ist ihnen bisher erspart geblieben«, fuhr sie fort. »Weißt du«, sagte Inab und spielte mit dem Löffel in dem leeren Eisbecher. »Ich habe auch viele Jahre gegen meine eigene Beschneidung angekämpft. Ständig habe ich neue Ausreden erfunden, damit sie mich in Ruhe lassen. Ich habe meinen Eltern erklärt, dass sie es verschieben müssten, weil es in meinem Alter zu großen Komplikationen kommen könne. Ich habe sogar gesagt, dass ich erfahren hätte, in einem gewissen Alter könnten Teile der Vagina wieder nachwachsen. So konnte ich mich lange Zeit davor drücken. Bis vor vier Jahren.«
Inab sah Sophie tief in die Augen und ließ es zu, dass die Österreicherin sie an sich drückte.
»Ich habe so sehr gehofft, dass sie es einfach vergessen. Aber irgendwann haben sie es dann trotzdem gemacht. Ich hatte panische Angst vor den Schmerzen und ich habe mich so sehr dagegen gewehrt, dass sie die leichteste Form der Beschneidung bei mir vorgenommen haben.«
»Das heißt, sie haben dir nur die Klitoris abgeschnitten, stimmt’s?«, fragte Sophie.
Sie hatte nun schon so oft von Frauen gehört, denen dieses grausame Ritual widerfahren war, und dennoch war es jedes Mal ein neuer Schock für sie. Zugleich war sie von der Stärke und Kraft dieses Mädchens schwer beeindruckt.
»Ich finde es toll, dass du deine kleinen Schwestern beschützt«, sagte sie.
Inab sah Sophie eindringlich an. »Waris hat in Dschibuti zu mir gesagt, dass sie mir helfen will, damit diese schrecklichen Schmerzen endlich aufhören. Weißt du was davon?«
Sophie nahm an, dass ich an eine Rückoperation gedacht hatte. Innerhalb der Foundation waren wir uns einig darüber, dass wir nicht nur die Genitalverstümmelung bei jungen Mädchen
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