Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
ein großer Raum, leer bis auf einen Tisch und nicht zueinanderpassenden Stühlen. Durch eine schmutzige Fensterscheibe blickt man auf ein Flachdach.
George wirft sich krachend gegen die Tür, ich schreie auf. Er spricht leise mit mir, versichert mir, dass er nicht wütend ist. Er kann mir verzeihen. Ich muss nur sagen, dass es mir leidtut. Ich muss die Tür aufmachen.
Ich antworte nicht. Die Tür zittert, als sein Körper mit Wucht dagegenprallt.
»Ich bring dich um, du Schlampe, ich schneid dich in Stücke. Du bist tot.«
Ich bin schon seit drei Jahren tot, will ich zurückschreien.
Ich wickele seine Jacke um meine Faust und hämmere gegen das Fenster, doch ich bin nicht kräftig genug, um es einzuschlagen. Ich ziehe den Tisch näher heran, lege mich rücklings darauf und trete mit beiden Füßen gegen die Scheibe. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Das Glas splittert, Scherben fallen nach draußen und glitzern auf dem Dach.
Mit seiner Jacke stoße ich die scharfen Enden aus dem Rahmen, klettere nach draußen und spüre, wie das Metalldach sich ächzend biegt. Ich suche nach einem Weg hinunter. Der Boden ist mit Unkraut überwuchert und mit Schutt übersät. Ich lasse seine Jacke fallen. Sie macht kein Geräusch, als sie landet.
Hinter mir kracht die Tür auf. George erscheint am Fenster.
Ich rufe von dem Dach.
»Hilfe! Ist da jemand! Hilfe!«
»Niemand kann dich hören«, sagt er.
Ich sitze auf dem Rand und gucke nach unten. Es ist zu hoch.
»Du wirst dir die Beine brechen«, sagt er. »Und dann muss ich dich erschießen wie ein Pferd.«
»Das ist mir egal.«
»Ist es nicht.«
»Wenn Sie näher kommen, springe ich.«
»Dann siehst du Tash nie wieder.«
»Ich glaube nicht, dass sie hier ist.«
»Ich bringe dich sofort zu ihr.«
»Sie lügen.«
Er schiebt ein Bein aus dem Fenster.
»Kommen Sie nicht näher.«
»Du wirst nicht springen.«
Er klettert aus dem Fenster. Ich drehe mich auf den Bauch, schiebe mich langsam rückwärts über den Rand, klammere mich an die verrostete Regenrinne und spüre die scharfe Kante unter den Fingern.
Ich höre ihn kommen und lasse los. Ich erwarte, mir beide Beine zu brechen. Ich erwarte zu sterben. Unkraut, dichtes Gestrüpp und Georges Jacke bremsen meinen Aufprall. Ich liege auf dem Rücken und starre zu dem Dach hoch. Sein Gesicht taucht über mir auf. Ich habe ihn überrascht. Ich lebe noch.
Ich rappele mich wieder auf und schleppe mich durch die Brombeersträucher, die sich in meiner Kleidung verhaken. Um mich herum stehen verlassene und verfallene Gebäude. Ein Wasserturm. Ein rußschwarzer Schornstein. Ein von Brombeersträuchern überwucherter Drahtzaun.
Ich laufe an dem Zaun entlang und lasse den Blick über den Maschendraht schweifen, bis ich am unteren Rand eine Lücke entdecke. Ich falle auf die Knie und schaufele Laub und Erde beiseite, um das Loch größer zu machen. Ich drehe mich um. George ist nirgends zu sehen, doch ich weiß, dass er kommt. Erst schiebe ich die Jacke durch das Loch, dann versuche ich, mich selbst durch die Lücke zu zwängen. Mein Kopf und meine Arme passen auch durch, doch mein Pullover verhakt sich an etwas Scharfem, das in meinen Rücken bohrt. Ich kralle mich an den Boden und das Unkraut und versuche, mich vorwärtszuziehen. Der Pullover reißt und flattert lose an meinem Rücken. Ich sitze auf feuchtem Boden in vermoderndem Laub.
George taucht an der Ecke des Gebäudes auf, zunächst nur eine vage Kontur mit einem blutdurchtränkten Hemd. Er kommt näher, er ist hinter mir her.
Ich rappele mich hoch, kämpfe mich durch das Gestrüpp, Zweige schlagen mir ins Gesicht. Ich habe vergessen, wie es ist, draußen zu sein, wie tückisch Sträucher und Dornen sind. Ich bin eine Läuferin. Wenn ich es bis in offenes Gelände schaffe, bin ich schneller als er. Aber in offenem Gelände kann ich mich nicht verstecken.
Ich höre George hinter mir fluchen und Zweige beiseiteschlagen. Er brüllt, droht, bettelt.
Ich stolpere auf eine Lichtung und bemerke einen gewundenen Pfad zwischen den Bäumen. Er geht bergauf, und ich rutsche mit meinen Segeltuchschuhen über Schlamm und Steine.
Vor mir gabelt sich der Pfad. Ein Weg sieht ausgetretener aus, doch ich entscheide mich für den anderen, der tiefer in den Wald hineinführt, weil ich denke, dass er denkt, ich würde den anderen nehmen. Der Pfad wird schmaler und steiler und windet sich an einer bewaldeten Schlucht mit steilen Felswänden entlang. Ich meide den Rand und versuche,
Weitere Kostenlose Bücher