Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Pfützen und heruntergefallenen Ästen auszuweichen.
Dann macht der Weg plötzlich eine Kurve. Mein rechter Fuß rutscht zur Seite weg, und ich verliere den Halt. Ich falle und rolle immer schneller die Böschung hinunter, bis ich mit der Schulter hart gegen einen Baumstamm pralle.
Als die Schwerkraft mich loslässt, liege ich auf dem Rücken und sauge abgerissen Luft in die Lunge. Meine Schulter brennt. Ich habe mir garantiert was gebrochen.
Plötzlich muss ich still sein. Ich stutze, warte. Er ist über mir auf dem Weg, keine dreißig Meter entfernt. Ich kann ihn durch den Vorhang aus Blättern und Zweigen sehen.
Er bleibt stehen, spitzt die Ohren, hält Ausschau nach mir. Ich halte den Atem an. Wir lauschen beide dem Plätschern von Wasser und dem Rascheln des Winds in den Bäumen. Ich muss weiteratmen und keuche in winzigen Stößen. Die Kälte sickert mir durch die Kleidung in die Knochen.
»Piper?«
Er wartet.
»Ich weiß, dass du mich hören kannst.«
Wieder lauscht er.
»Wenn du jetzt zurückkommst, bin ich nicht wütend und lasse dich Tash sehen.«
Ich muss husten, unterdrücke das Geräusch jedoch mit einer Faust im Mund.
»Und wenn du zurückkommst, hole ich auch Emily nicht. Ich weiß, wo sie wohnt. Sie arbeitet heute … Piper? Das ist deine letzte Chance.«
Er geht weg, weiter den Pfad hinauf. Hin und wieder höre ich ihn meinen Namen rufen.
Ich liege auf dem Rücken und starre in die Wolken, die sich über den Zweigen bewegen. Ich liege auf einem Fels direkt am, aber nicht im Wasser. Meine Jeans ist zerrissen, meine Knie bluten.
Ein Stück oberhalb ist eine durch Jahrhunderte Regen ausgewaschene Felsspalte, die gerade breit genug für mich ist. Ich robbe durch das Laub und krieche hinein. Nachdem ich es mir einigermaßen bequem gemacht habe, ziehe ich die Jacke über meine Beine, rolle mich zusammen und versuche, warm zu werden.
Erschöpfung drückt auf meine Lider. Ich will mich nur für ein paar Minuten ausruhen, die Augen zumachen. Dann kann ich laufen.
40
Der Hausmeister des Freizeitzentrums von Bingham humpelt und lässt den linken Arm hängen, Lähmung nach einem Schlaganfall. Er heißt Creighton, und er spricht trotz der üblichen Sprechtherapie immer noch mit feuchter und schwerer Zunge.
»Wir haben über Winter geschlossen«, erklärt er. »Die Becken zu heizen wäre zu teuer.«
Er hält einen Schlüsselbund zwischen den Zähnen, während er mit der gesunden Hand eine Kette aushakt und einen Riegel zurückzieht. Das Tor bewegt sich ächzend auf steifen Rollen.
Er holt einen weiteren Schlüssel aus einem Büro und legt eine Reihe von Schaltern um. Es dauert eine Weile, bis die Neonröhren angewärmt sind, flackernd aufleuchten und ein bläuliches Licht über Luft und Wasser breiten. Unter einem Kuppeldach erstreckt sich ein Olympiabecken. An der gegenüberliegenden Seite gibt es eine niedrige Tribüne und zum Wasser hin angeschrägte Startblöcke.
»Die Polizei war heute Morgen hier«, sagt er. »Die haben nichts gefunden. Weiß nicht, was die erwartet haben.« Er zieht mit einer Hand seine Hose hoch. »Was wollen Sie sehen?«
»Die Umkleidekabine.«
»Dachte ich mir schon.«
Er legt den Schlüsselbund auf den Tisch und geht die Schlüssel einzeln durch.
»Dann kommen Sie.«
Ich folge ihm am Beckenrand entlang. Lichtspiegelungen werfen wellige Muster an die Wände.
»Wer hat Zugang zu dem Zentrum, wenn es geschlossen ist?«
»Es gibt vier Schlüsselgewaltige.«
»Hatten Sie schon mal Sicherheitsprobleme?«
»Manchmal brechen Jugendliche ein, suchen Geld in der Kasse und plündern den Shop. Die Polizisten haben irgendwas von sexueller Nötigung gesagt. So was hatten wir noch nie. Sie haben nach Sicherheitskameras gefragt, aber in Umkleidekabinen sind Kameras verboten. Stellen Sie sich mal den Ärger vor. Privatsphäre und so.«
Die Umkleidekabinen der Männer und der Frauen liegen in gegenüberliegenden Ecken. Der Hausmeister öffnet einen Sicherungskasten, schaltet weitere Lichter an und schließt die Türen auf. Rutschfeste Gummimatten bilden einen genoppten Pfad zwischen dem Schwimmbecken und den Duschen. Es gibt mehrere Reihen von Spinden, dazwischen stehen Holzbänke.
Die Bänke erkenne ich wieder. Hier haben sie gesessen, als Natasha getanzt hat. Sieben Männer machten sich daran, sie zu bestrafen, sprachen davon, ihr die Haare abzuschneiden oder das Gesicht zu verätzen, sie zu brandmarken. Das ist die Macht der Gruppe, wo individuelle Verantwortung
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