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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Macht angetrieben. Manche sind faul. Manche sind dumm. Manche sind gewalttätig. Manche sind Feiglinge. Manche sind, wie ich erklärt habe, Psychopathen. Keine Monster. Keine Irren. Sie heiraten, gründen Familien und Wirtschaftsimperien, lernen, falsche Ehrlichkeit vorzutäuschen und ihr Geheimnis zu verbergen.
    Dieses Konzept des erfolgreichen Psychopathen wird von der medizinischen Zunft oft vergessen oder ignoriert. Wir studieren die Menschen an den Rändern der Gesellschaft – die Aussteiger und Minderleister, die, die erwischt werden, die weder den Verstand noch die Neigung haben, die Welt zu beherrschen. Erst in den letzten Jahren haben wir begonnen, die Psychopathen zu untersuchen, die sich erfolgreich mitten unter uns verstecken.«
    Ich blicke wieder ins Publikum und erkenne ein, zwei Gesichter. Ich habe an einem Forschungsprojekt zusammen mit Eric Knox gearbeitet, der neben Andrew Nelson sitzt, einem Studienfreund, der mal mit meiner Schwester Rebecca zusammen war und ihr das Herz gebrochen hat. Zwei Reihen dahinter bemerke ich eine Frau, die mir ebenfalls bekannt vorkommt. Es dauert ein paar Minuten, bis mir der Name zu dem Gesicht einfällt: Victoria Naparstek, Augie Shaws Psychologin.
    »Ich möchte mit einer Geschichte enden«, erkläre ich meinem Publikum. »Sie handelt von einem leutseligen, charismatischen Mann, der in einem Wohnviertel der unteren Mittelschicht von New York aufwuchs. Er war introvertiert, reserviert, leicht distanziert, heiratete seine Jugendliebe und bekam zwei Söhne.
    Er gründete ein Finanzunternehmen und kümmerte sich um die Investitionen von Freunden und Verwandten. Erfolg stellte sich ein: eine Penthousewohnung in Manhattan, Anteile an zwei Privatjets, eine Jacht an der französischen Riviera. Mit über siebzig managte er Milliarden von Dollar für Privatpersonen und Stiftungen, warb immer neue Kunden, darunter auch gemeinnützige und öffentliche Institutionen und Investmentfirmen.
    Persönlichen Begegnungen mit seinen Investoren ging er meistens aus dem Weg, was seine Faszination jedoch nur erhöhte. Auch auf den Cocktailpartys von Manhattan sah man ihn nie, was seinen Ruf als Finanzgenie weiter mehrte, der Mann, der alles zu Gold macht, was er berührt – der Weise der Wall Street. Weiß irgendjemand, von wem ich spreche?«
    »Bernie Madoff«, sagt eine Stimme aus der Dunkelheit.
    »Ein klassischer Psychopath, ein Scharlatan von epischen Ausmaßen, ein Manipulator, der so gierig war, Reichtum anzuhäufen, dass er das Leben tausender Menschen zerstörte, ohne deswegen auch nur eine Nacht schlechter zu schlafen.
    Er hatte die Ausbildung, das Geld, die Gelegenheit, einen fantastischen IQ und nicht den Hauch eines schlechten Gewissens. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne Furcht vor Entlarvung inszenierte er eines der größten betrügerischen Pyramidenspiele der Geschichte, überzeugt davon, über dem Gesetz zu stehen, während er für seine Kunden nur Herablassung und Verachtung übrig hatte.
    Madoff ist kein Einzelfall. Es gibt da draußen viele wie ihn. Sie gehen in die Wirtschaft, die nationale oder internationale Politik, die Wissenschaft, ins Rechts- oder Finanzwesen und verfolgen ihre Karriere mit skrupelloser, zielstrebiger Effektivität, unbeeinträchtigt von moralischer Ungewissheit oder Schuldgefühlen, ohne Rücksicht auf irgendjemanden.
    Sie hintergehen Kollegen, unterminieren Rivalen, ruinieren Feinde, fälschen Beweise, verdrehen die Wahrheit, lügen, stehlen und fahren mit allen Schlitten, die sich ihnen in den Weg stellen. Manchmal heiraten sie wegen Geld. Lassen sich wegen Geld wieder scheiden. Veruntreuen Mittel, treiben Wohlfahrtsorganisationen in den Bankrott. Sie fangen Kriege an, erobern fremde Länder, vernichten die Machtlosen, korrumpieren die Unschuldigen. Und immer mit der exklusiven Freiheit zu wissen, dass sie nachts friedlich schlafen werden.
    Das sind nicht die Psychopathen, die Sie und ich in unseren Praxen behandeln. Vielleicht ist das gut so. Vielleicht geht es nicht darum, sie zu behandeln. Sie sind keine gebrochenen Existenzen – sie existieren einfach. Es ist ein Persönlichkeitsmerkmal, keine Persönlichkeitsstörung.«
    Jemand hebt die Hand, ein junger Mann, vielleicht ein Doktorand. »Sind wir nicht verpflichtet, sie zu behandeln?«
    »Warum?«
    »Sie brauchen unsere Hilfe.«
    »Und wenn wir ihnen nur die Fertigkeiten vermitteln, Ehrlichkeit vorzutäuschen und noch bessere Psychopathen zu werden?«
    Mein Inquisitor ist noch nicht

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