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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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nichts zu gucken.«
    »Hä?«
    »Der Trick besteht darin, offen zu bleiben. Wenn man nach etwas Bestimmten sucht, übersieht man ein vielleicht viel wichtigeres Detail. Man hüte sich vor dem Verlangen.«
    »Aber woher wissen Sie, ob Sie es gefunden haben?«
    »Ich weiß es einfach.«
    »Verstehe«, sagt er, was augenscheinlich nicht der Fall ist.
    »Haben Sie die Bilder mitgebracht?«, frage ich.
    Er öffnet eine Tasche und gibt mir einen Ringordner mit Tatortfotos. Die ersten Bilder zeigen das Haus von allen Seiten. Der Schnee ist hundert Meter in jede Richtung unberührt. Keine Fußspuren, keine Reifenspuren, keine Zeichen von Leben.
    Die Bilder rücken, vorbei an den Feuerwehrwagen, näher ans Haus und die zerstörte Haustür heran. Die Innenaufnahmen präsentieren ein behagliches Haus ohne direkt erkennbare Spuren einer Störung, wenn man von Beweismarkern auf dem Fußboden absieht.
    Ich nehme ein Foto aus dem Ordner und lege es auf einen Sessel im Wohnzimmer. Ich wähle ein zweites Bild, eine Aufnahme von William Heyman und platziere sie auf dem Küchentisch. Heyman liegt auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, unter der Wange eine Blutlache.
    Ich schließe die Augen und versuche, mir den Abend vorzustellen. Draußen tobte ein Schneesturm, ließ Dachbalken stöhnen und Fenster klappern. Der Strom war ausgefallen. Die Heymans zündeten auf der Treppe und in der Küche Kerzen an. Sie saßen vor dem offenen Kamin.
    Ein halbwüchsiges Mädchen klopfte an die Tür. Nass. Kalt. Zerkratzt. Sie war nicht barfuß, sondern trug ein geblümtes Kleid und vielleicht andere Sachen, die nicht mehr da sind.
    William und Patricia Heyman wohnten noch nicht in der Gegend, als die Bingham Girls verschwanden. Sie zogen erst ein Jahr später in das Haus. Das Mädchen vor ihrer Tür war für sie eine Fremde. Sie baten sie herein, ließen ihr ein Bad einlaufen, suchten frische Kleidung und trockneten ihre Schuhe am Kamin.
    Sie erzählte ihnen ihre Geschichte, und William Heyman wählte den Notruf, doch die Zentrale war überlastet, und er landete in einer Warteschleife. Und in dem Schneesturm da draußen war noch jemand, der Natasha folgte.
    Der Angriff war plötzlich … und heftig. Mr Heyman drehte sich um und versuchte zu fliehen. Er wurde von hinten niedergeschlagen, ehe er die Küche erreichte. Er kroch noch ein paar Meter weiter, bevor er starb, und verschmierte sein Blut auf den Kacheln.
    Die Waffe? Ein stumpfer schwerer Gegenstand, vielleicht eine Axt. Neben dem Haus sehe ich einen Stapel Feuerholz und einen Hackklotz.
    Natasha war oben im Bad. Sie muss den Aufruhr gehört haben. Sie zog ihre Kleider über, schlug das Badezimmerfenster ein, kletterte hindurch und schnitt sich an dem Glas.
    Patricia Heyman rannte nach oben, doch der Mörder folgte ihr. Sie versuchte sich in ihrem Schlafzimmer zu verbarrikadieren, doch das Schloss hielt nicht.
    Ich betrachte die Fotos und entdecke im Flur kaum Spuren des Brandes, während die Verheerung der Flammen im Schlafzimmer sofort offensichtlich ist. Auf wenigen Quadratmetern hat es heftig gebrannt, trotzdem ist jede Oberfläche in dem Raum mit einem öligen Ruß bedeckt, der ein seltsames »Schattenreich« erschafft.
    Der einzige nicht verrußte Gegenstand auf dem Bett ist eine Decke. Sie wurde nach dem Feuer über Mrs Heyman gebreitet. Augie Shaw wollte sie abschirmen, ihre Privatsphäre schützen. Er ist schizophren. Seine Taten zu deuten ist gefährlich. Aber es ergibt nach wie vor keinen Sinn. Warum sollte er sie töten, ihre Leiche anzünden und dann fürsorglich ihre Keuschheit bedecken?
    Wer immer die Heymans getötet hat, ist ruhig und rasch vorgegangen, hat Oberflächen abgewischt und Bleichmittel verschüttet, um die Spuren seiner Anwesenheit zu tilgen. Er kam unvorbereitet. Er improvisierte. Er ging nicht geplant vor, geriet aber auch nicht in Panik. Und hinterher blieb er, um sauber zu machen, oder kam später noch einmal zurück.
    Derweil floh Natasha von dem Haus, barfuß und blutend, durch eine stumme Landschaft. Sie wusste, dass er ihr folgte … näher kam …

Manche Mädchen ritzen
    kratzen oder bohren sich einen spitzen Gegenstand in die Haut. Manche sind fress- oder magersüchtig. Ich laufe und schreibe. Ich notiere alles. Nachrichten. Einkaufslisten. Zitate. Namen. Seit ich schreiben kann, habe ich Hefte, Notizblöcke und Tagebücher vollgeschrieben.
    Ich mag Worte. Manchmal kommen sie mir wahllos in den Sinn, oder ich sehe sie aus den Augenwinkeln wie Schatten,

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