Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
den Kopf und sah, wie ein großer Schäferhund herbeitrottete und seine Schnauze gegen ihre Handfläche drängte. Augenscheinlich wollte er gestreichelt werden. Donna tat ihm sofort den Gefallen. »Na, so ein lieber Hund«, schmeichelte sie ihm. Einige Sekunden später gab sie ihm einen abschließenden Klaps und folgte Mel ins Haus.
Es war genauso, wie Donna sich diese Häuser immer vorgestellt hatte – ein echtes Blockhaus innen wie außen. Da war ein Bretterfußboden, da war eine balkengestützte Decke, und von dieser hingen verschiedene große und runde Lampen aus Holz herab. Die diversen Teppiche (oder Brücken) waren handgewebt und besaßen eine ovale Form. Das Mobiliar, sämtlich aus Kiefernholz,
gehörte in die sogenannte koloniale Stilrichtung. Vielleicht, dachte Donna unwillkürlich, wäre es noch interessanter gewesen, in diese urtümliche Umgebung etwas aus Chrom und Plexiglas zu setzen, als Kontrast sozusagen – der moderne Mensch gegen die Elemente und so weiter und so fort. Allerdings: innenarchitektonisch hätte das doch wohl eher störend gewirkt – würde die Aufmerksamkeit abgelenkt haben von den Gemälden und Zeichnungen, die gutverteilt rings in diesem Raum hingen. Überall waren die Preise angegeben, und sie betrugen zwischen sechzig und zweihundert Dollar. Was die Bilder als solche betraf, so schienen sie samt und sonders Durchschnitt zu sein. Ihren Reiz bezogen sie aus ihrer Umgebung.
»Hätten Sie gern etwas?«
Die Stimme klang freundlich, fast derb. Und genauso wirkte auch die Frau, zu der sie gehörte: eine ziemlich große Frau von etwa vierzig Jahren mit fast männlichem Körperbau und langen braunen Haaren, nachlässig zum Pferdeschwanz gebunden. Ein Make-up trug sie nicht, und ihre Haut war übersät mit Sommersprossen sowie späten Spuren jugendlicher Akne. Es war ein freundliches, aber auch entschlossenes Gesicht. In ihm spiegelte sich gleichsam die halbe Wildnis wider, in der man sich hier befand – einerseits. Andererseits aber auch die anheimelnde Wärme dieses Blockhauses. Im Hintergrund nahm Donna einen Mann wahr. Er mußte etwa im gleichen Alter sein, und er trug Jeans und Cowboystiefel – eine Art verkörperter Mythos des freien, wilden Westens.
»Ist wirklich ganz reizend hier«, sagte Mel, und Donna war froh, daß er sprach. Für sie wurde es von Mal zu Mal schwieriger, irgend etwas Vernünftiges von sich zu geben. Wie wohltuend, ihn bei sich zu wissen, mit seiner ruhigen, fast sanften Art. Sie, Donna, neigte manchmal dazu, überhastet in etwas hineinzustolpern, was es vorsichtig zu erforschen galt. Die Menschen waren Fremden gegenüber mißtrauisch, und viele Fragen stimmten sie
nur skeptischer. Man mußte ihnen zunächst einmal ein wenig näherkommen, und sei es auch noch so oberflächlich. Es kam weniger auf das an, was man tat (ging es Donna durch den Kopf), als auf das, was man zu tun schien.
»Gibt nicht viele, die bei uns einkehren«, sagte die Frau. »Ist sicher unsere eigene Schuld. Ich meine, wir liegen ziemlich abseits. Möchten Sie etwas zu essen haben? Sandwiches? Kaffee?« Bei Sandwiches und Kaffee erfuhren Donna und Mel dann, daß dieses Paar, David und Kathy Garratt, die kleine Galerie schon seit über fünfzehn Jahren in ihrem Haus hatten; ihr Schlafzimmer und die sonstigen Privaträume befanden sich im oberen Stockwerk. Was die Bilder betraf, so handelte es sich entweder um Eigenproduktionen oder um die Arbeiten von Freunden; und sie verdienten gerade genug für ihren Lebensunterhalt. Im übrigen nahm David in der Umgegend mal diesen, mal jenen Job an – von Beruf war er Zimmermann. Irgendwann war ihnen die Idee gekommen, ihr Haus interessierten Touristen zugänglich zu machen. Sie mochten Menschen, und so hatten sie Gelegenheit zum täglichen Kontakt mit der Außenwelt. Und war es ihnen einmal zuviel, wollten sie allein sein, so hängten sie an die Eingangstür ganz einfach ein Schild: Heute geschlossen. Donna hörte mit einer Mischung aus Ungeduld und Interesse zu. Und als die Ungeduld schließlich überhand nahm, unterbrach sie: »An die Leute, die hier einkehren, würden Sie sich an die wohl erinnern?«
Kathy Garratt warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Haben Sie jemand Besonderen im Sinn?« fragte sie, wohl wissend, daß dem so sein mußte.
»Einen Mann. Er heißt Victor Cressy. Er ist neununddreißig, ziemlich groß, dunkelhaarig...«
»Gutaussehend?«
Donna nickte, wenn auch widerstrebend. Aus ihrer Handtasche holte sie ein Bild von
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