Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
abzustreiten.« Donna hielt unwillkürlich den Atem an. »Was mich betrifft, so finde ich zwar, daß sehr vieles darauf hinweist, daß wir hier eine tiefunglückliche Frau vor uns haben; aber durch nichts ist in irgendeiner Weise belegt, daß Mrs. Cressy irgendwie labil oder sonstwie untauglich wäre.« Donna hob die Augen, blickte zum Richter. Dieser fuhr fort. »Obgleich das Gericht es als sichere Tatsache ansieht, daß beide Elternteile ihre Kinder lieben, so muß vor allem das Wohl dieser Kinder im Auge behalten werden; und das Gericht meint, daß es hier in besonderem Maße zwei Fakten zu berücksichtigen gilt: zum einen das zarte Alter der Kinder und zum anderen die Tatsache, daß Mrs. Cressy daheim bleiben würde, um sich um sie zu kümmern, während Mr. Cressy eine Betreuerin engagieren müßte, während er seiner Arbeit nachgeht. Folglich ist es wohl
im Interesse der Kinder, wenn sie weiterhin bei ihrer Mutter bleiben.« Donna spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Und so spreche ich Adam und Sharon Cressy ihrer Mutter, Donna Cressy, zu.«
Den Rest hörte Donna nicht mehr. Der Richter sprach über Victors Besuchsrechte, soviel war ihr klar. Nun, da würde es keinerlei Probleme geben. Victor konnte seine Kinder sehen, wann immer er mochte. Jederzeit, aber gern. Allmächtiger Gott, sie hatte gewonnen.
Sie fühlte, wie Victor zu ihr blickte. Und irgendwie zwang sie dieser Blick, zu ihm zu schauen. Sie drehte den Kopf, sah in harte, kalte Augen. So sehr ich dich auch einmal geliebt habe, dies schien aus ihnen zu sprechen, so sehr hasse ich dich jetzt. Unwillkürlich erinnerte sie sich an seine früheren Aussprüche, seine Drohungen – »Ich verspreche dir«, hatte er gesagt, »selbst wenn du gewinnst, wirst du verlieren« – und sie schauderte zusammen.
Was würdest du mit mir tun, wenn es mit uns nicht klappt? hatte sie ihn an ihrem Hochzeitstag gefragt. Und während sie sich an seine Antwort erinnerte, glaubte sie ein eiskaltes Rasiermesser zwischen ihren Schulterblättern zu spüren. »Ich würde dich auslöschen« – so hatte seine einfache Antwort gelautet.
Rasch wandte Donna den Blick von ihm ab. Doch als sie, nach Sekunden, abermals zu ihm sah, starrte er noch immer zu ihr. Und lächelte.
Die Gegenwart
15
»Los, Kinder, beeilt euch. Papi ist hier.«
Donna ging wieder zu Victor, der in der kleinen Diele stand und entspannter wirkte als irgendwann in den fünf Monaten seit der Scheidung. Er war ganz in Weiß gekleidet, was ihn, im Verein mit der sonnenbraunen Haut und dem schwarzen Haar, noch besser aussehen ließ, als sie das in Erinnerung hatte. Doch es sprang kein Funke mehr über zwischen ihnen, und wenn Donna ihm in die tiefblauen, unauslotbaren Augen blickte, fühlte sie nichts als Erleichterung. Mag jemand anders zu ergründen versuchen, was sich dort abspielt, dachte sie und fragte sich flüchtig, ob es da »jemand anders« geben mochte.
»Sharon sitzt auf dem Töpfchen«, erklärte Donna mit einem Lächeln, »und Adam sieht ihr dabei zu.« Mit Befriedigung hatte sie bei sich feststellen können, daß sie nicht mehr mit jenem krampfartigen Gefühl in der Magengrube reagierte, wenn Victor anrief oder an der Türschwelle stand. »Möchtest du einen kalten Drink oder so? Ist draußen ja ziemlich heiß.«
»Soll der heißeste 16. April seit vierundzwanzig Jahren sein, laut Radio«, sagte Victor und folgte Donna in die Küche. »Ginger Ale wär mir sehr recht.«
Donna öffnete den Kühlschrank, nahm eine große Flasche Ginger Ale heraus, stellte sie auf die Theke und stieß die Kühlschranktür mit dem Fuß zu. Es war eine ziemlich kleine Küche, höchstens halb so groß wie jene in Victors Haus. Dennoch erschien sie ihr viel größer, diese Küche. Weil darin soviel mehr Platz zum Atmen ist, ging es Donna durch den
Kopf. Sie nahm ein Glas aus dem Schrank, goß Victor seinen Drink ein.
Als er zum erstenmal durchs Haus gegangen war, hatte er wenig gesagt. Fast nichts. Vermutlich (so jedenfalls wollte es Donna scheinen) tröstete er sich mit dem Befund, daß seine Kinder nicht direkt im Elend lebten – oder wie immer er das im einzelnen empfand. Jedenfalls behielt er für sich, was er an negativen Eindrücken sammeln mochte.
Gewiß, das Haus war ziemlich klein – das mußte Donna einräumen. Nur das Allernotwendigste: eine Art Kombination aus Wohn- und Speisezimmer, drei winzige Schlafzimmer, davon eines einen knappen halben Meter größer als die beiden anderen, ein Bad und
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