Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
nicht übel Lust, ihr entgegenzureiten und sie ein wenig zu bespitzeln. Vielleicht ...«
»Aye, Dray Prescot«, sagte Delia nachdrücklich. »Aye! Und bei der Gelegenheit möchtest du auch ein paar Bösewichter mit den Köpfen aneinanderschlagen. Ach, ich weiß Bescheid!«
»Schon möglich, daß du recht hast, Liebling«, sagte ich ungerührt. »Schon möglich.«
Nachdem diese Angelegenheit geregelt war, widmeten wir uns einer eingehenderen Beurteilung der Lage, die – wie ich schon erklärt habe – ziemlich düster aussah.
Berichte unserer Kundschafter ließen erkennen, daß die Armee westlich der Insel Wenhartdrin an der vallianischen Küste Kaldis gelandet war. Die Armee der Invasoren hatte somit einen weiten Marsch zurückzulegen, denn sie hätte auch viel näher an der Hauptstadt landen können. Ich konnte nur vermuten, daß man unterwegs frische Rekruten anzuwerben hoffte. Nur blieb abzuwarten, wie die ehrlichen Bürger und Bauern Vallias auf diese Hoffnung reagieren würden. Jedenfalls hatte der Südwesten in keiner Weise die Selbstbestimmungsbestrebungen des Nordostens geteilt.
Auf direktem Wege – wie der Fluttrell fliegt, heißt es in Havilfar – mußten die Eindringlinge bis Vondium sechshundertundfünfzig Meilen zurücklegen. Mir schien auf der Hand zu liegen, daß sie nicht den direkten Weg nehmen würden. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr oder weniger zehn Meilen am Tag, die eine ausgeruhte Armee mit Gepäck und Artillerie und Gefolge und all den anderen verwirrenden Lasten zurücklegen kann, die marschierende Soldaten zu behindern pflegen, dauerte das ganze Unternehmen siebzig bis achtzig Tage. Nach jüngster Meldung standen die Gegner gerade an der Grenze zwischen Ovvend und Thadelm und hatten somit erst die halbe Strecke hinter sich.
Die Schätzungen der Kopfzahl gingen weit auseinander, was teils an der Unerfahrenheit unserer freiwilligen Kundschafter, teils an der Komplexität eines marschierenden Verbandes lag, dessen viele tausend Gefolgsleute und Begleitmannschaften das Auge verwirren können. Ein umsichtiger Khibil, ein Paktun mit vielen Kampfnarben, hatte den Kern der Armee – die formierten Reihen der Kämpfer und die Kavallerieeinheiten – auf fünfzigtausend Mann geschätzt. Die Kampfkraft der Armee blieb also im Ungewissen; sie war nicht so klein, daß man sie mißachten konnte, aber auch nicht groß genug, um sie als übermächtig anzusehen.
Ich hatte auf diese Information reagiert, indem ich mein Kundschafternetz noch weiter spannte, fürchtete ich doch, daß eine zweite Armee parallel zur ersten aufmarschierte. Bisher hatte mich eine Bestätigung nicht erreicht.
Nath war bleich vor Wut über meine Entscheidung, keinen einzigen Brumbyte aus der Phalanx zu nehmen. Und weil ich auch keinen Lanzenträger aus den Reihen erwählte, wollte ich auch die Hakkodin, die den Flankenschutz bildeten, nicht anrühren.
»Aber Majister! Wir sind die Armee – Herz und Sehnen und Zentrum. Wenn wir jetzt in voller Kampfstärke losmarschierten, könnten wir den Gegner zerschlagen ...«
»Völlig?«
»Bei Vox! Ja!«
»Ich glaube das nicht.«
»Aber es handelt sich doch nur um eine Armee – Kavallerie mit Zorcas und weißpelzigen Hersanys und Infanterie ohne ungewöhnliche Bewaffnung oder Formation. Fünfzigtausend! Die zerhacken wir so mühelos, wie ein Messer Fleisch zerschneidet!«
»Das aber in der Mitte auf einen Knochen treffen kann, Kyr Nath.«
Die Invasionsarmee hatte keine Farben gesetzt; jedenfalls waren mir keine gemeldet worden. Die erwähnten Hersanys, zottige, sechsbeinige, kalkweiße Reittiere, ließen vermuten, daß die Einheiten aus Pandahem stammten. Dieser Insel hatte Phu-Si-Yantong längst seinen blutigen Stempel aufgedrückt, hatte sämtliche Könige und Herrscher seiner despotischen Macht unterworfen. Ich wünschte ihm dort viel Spaß. Er mußte wahnsinnig sein, denn nur darin schien mir eine Erklärung für seine umfassende Machtgier zu liegen. Was das Gute anging, das ich noch immer in ihm vermutete, so lag es wohl so tief, daß schon Cottmers Höhlen den Himmel berühren müßten, um es zu finden.
»Also«, sagte Nath und atmete tief durch. »Wenn ich schon meine Phalanx nicht in Marsch setzen darf, dann laß mich wenigstens mit dir reiten, Majister.«
Verständnisvoll-amüsiert und bekümmert sagte ich: »Und die Phalanx bleibt ohne Anführer? Ich bitte dich, Nath, du wirst einsehen, daß ich das nicht zulassen kann.«
Er steckte in der Klemme
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