Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
brüllte etwas, und kurze Zeit später marschierte ich in einer Formation Bogenschützen, die zum Wachdienst abkommandiert waren. Nun ja, jedenfalls war ich nun dort, wo ich sein wollte.
Der fünfhändige Eos-Bakchi hielt es dagegen nicht für angebracht, dafür zu sorgen, daß ich auch an dem eigentlichen Empfang der Abordnung Zankovs teilnehmen konnte. Dies wäre auch zuviel verlangt gewesen. Wir wurden in Abständen in den Korridoren und auf den kunstvoll gepflasterten Höfen postiert, und ich landete am oberen Ende einer Treppe, die in unbekannte Tiefen führte. Wachsam stand ich auf meinem Posten, ein typischer Wachtposten: herausgeputzt, mit seinem Speer hantierend und reif, eins über den Schädel zu erhalten.
Nun ist es mehr als richtig, daß die meisten Palastbewohner, die stets viele Wächter um sich haben, diese als Personen kaum noch wahrnehmen. Alte Kämpfer wie ich, die sich auskennen, achten auf solche Details, doch sind wir leider in der Minderzahl. Niemand beachtete mich. Immerhin war ich dort, wo ich zu sein hatte.
Und so kam es, daß meine Tochter Dayra den Korridor entlangkam, vorbei an meiner Treppe, vertieft in ein Gespräch mit dem schurkischen Tyr Malervo Norgoth, dem Mann, der einst mit einer Abordnung Jhansis zu mir gekommen war und seinen Zauberer Rovard den Murvish auf mich gehetzt hatte. Ich stand starr, der verzierte Helm warf einen Schatten auf mein Gesicht. Malervo Norgoths Gestalt – ein massiger Körper auf spindeldürren Beinen – entsprach genau meiner Erinnerung. Er trug eine weite Robe in einer unangenehmen Grünfärbung, übersät mit goldenen und silbernen Stickereien. Dayra jedoch – Dayra sah prächtig aus.
Sie trug ein langes Gewand im herrschaftlichen Stil, aus reinstem Sensil, der feinsten Seide Kregens, in einer hellen Austernfarbe, die bei jedem Schritt schimmerte. Ihre Haltung war die einer Herrscherin. In dem goldenen Ring, der auf ihrem braunen vallianischen Haar ruhte, steckten Federn. Beim Reden zeigte ihr Gesicht Selbstbewußtsein und Engagement. Ihre Figur war atemberaubend. Ja, ich weiß, ich weiß, doch es paßte. Paßte bestens. Denn ich hatte dieses auffällige Mädchen in kurzer schwarzer Lederkleidung erlebt, die ihre langen Beine zur Geltung brachte, wie sie mit der rechten Hand eine gefährliche Klinge führte und mit der linken die volle Gewalt ihrer scharfen Stahlkralle zum Einsatz brachte.
Ihr Schmuck funkelte grell. Sie hatte sich viel zu sehr damit behängt. Das Strahlen der Edelsteine war vermutlich echt. Wichtig wäre mir – als ihrem Vater – die Frage gewesen, wessen Schmuck sie dort trug. Aber das konnte ich nicht sofort klären. Warum sie soviel Schmuck angelegt hatte, hätte von einem irdischen Psychologen vielleicht mit der eleganten Theorie erklärt werden können, daß sich hier ein Aufstand gegen den eleganten, verfeinerten Geschmack ihrer Mutter vollzog, der kleine und qualitativ wertvolle Objekte einer massiven, vulgären Zurschaustellung vorzog. Ich aber sah die Lage nicht so. Wir befanden uns hier auf Kregen. Dayra stellte all ihren Schmuck zur Schau, um die Macht zu verdeutlichen, die sie als Gesandte Zankovs repräsentierte.
Im Vorbeigehen sagte Malervo Norgoth: »... hat nicht das geringste zu bedeuten, meine Liebe, und es wäre gut, wenn du daran denkst.«
Mich interessierte, was Ros die Klaue auf eine solche kränkende Bemerkung zu antworten hatte, doch sie sagte lediglich: »Und ob Zankovs neue Verbündete etwas bedeuten! Sehr viel sogar. Ihnen wird sich niemand in den Weg stellen, das kannst du mir glauben.«
»Viele Dwaburs liegen zwischen dem Osten und Vennar.«
»Sie lassen sich überbrücken. Zankov möchte sie in Freundschaft überbrücken.«
»Eine Freundschaft, die er hoch einschätzt nach dem Gold, das er fordern kann ...«
Das Gespräch fortführend, gingen die beiden weiter, gefolgt von einigen Leibwächtern, bei deren Anblick ich mich noch mehr aufrichtete und den Kopf nach vorn neigte, um mein Gesicht tiefer im Schatten des Helms verschwinden zu lassen. Rovard der Murvish folgte der Gruppe als letzter und verbreitete seinen typischen Geruch nach toten Ratten und fauligem Wasser, nachdenklich seine Morntarch schüttelnd. Seine Felle und Schmuckketten und das zottige Haar verliehen ihm ein groteskes Aussehen. Als die Gruppe vorbei war, atmete ich auf und ließ den Blick an der Reihe meiner Wächterkollegen entlangwandern.
Der Deldar war nicht in Sicht. Wenn ich meinen Posten verließ, würde sich keiner
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