Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
Voves nach Vallia.«
Sie zuckte zusammen wie von einem Hieb getroffen.
Die nackte linke Hand zuckte vor ihrem Gesicht empor. Die Finger reckten sich. Sie trug keine Ringe. Ihre Nägel waren kurzgeschnitten und nicht bemalt. Diese linke Hand krallte in einem dermaßen automatischen Reflex durch die Luft, daß ihr unwillkürlich der Atem stockte.
»Ja, Ros«, sagte ich.
Ich mußte es ihr lassen – sie japste nicht: »Du!« wie eine typische ahnungslose Operettenheldin in einem der engen Theaterhäuser Vondiums. Operetten gefallen mir. Sie senkte die linke Hand, die ohne ihre tödliche Stahlwaffe auskommen mußte, und musterte mich, und ihr Ausdruck wandelte sich von Erstaunen über Zorn zu ratloser Verwirrung. Dann:
»Was fange ich nur mit dir an?«
»Nichts. Ich muß mich fragen, was ich mit dir mache. Junge!« Ich wandte mich dem Burschen zu, der noch im Wachstum steckte, ein schelmisch blickender, gutaussehender Knabe mit rosafarbener Tunika und einem hübschen kleinen Dolch an der Hüfte. Das braune vallianische Haar fiel ihm in weiten Locken um die Ohren. »Junge! Zieh den Teppich dort hervor – den breiten langen mit den Seidenquasten – und lege ihn auf den Boden.«
Sie wußte sofort Bescheid.
»Du wagst es nicht!«
»Wie sehr haßt du mich, Ros?« Ich hielt mich an diesen Namen und nannte sie nicht Dayra; damit folgte ich einem instinktiven Gefühl für diesen Ort, an dem Ros die Klaue zu Hause war und Dayra nicht.
»Dich hassen? Mehr, als du dir vorstellen kannst – mehr als die ganze Welt verkraften könnte!« Seit der ersten instinktiven Geste hatte sie sich nicht mehr gerührt. Ihr Gesicht, wunderschön, ach ja, wunderschön und leidenschaftlich, willensstark und stur, verriet einen Stolz, den ich nur bedauern konnte, und war zugleich gezeichnet von einer verzehrenden Traurigkeit, die mich betrübte; in ihrem Gesicht stand nun die Röte beherrschter Wut. »Verdienst du nicht wirklich allen Haß und alle Verachtung der ganzen weiten Welt?«
»Ja.«
Ihre Hand hob sich an die Brust über den Rand des schwarzen Lederwamses. Sie war überrascht. Aber ...
»Dreh dich um, Ros die Klaue, ich will dir die Handgelenke fesseln! Bleib stehen, Junge!« Denn der Junge machte Anstalten, seinen Spielzeugdolch zu ziehen.
Die Schritte hinter mir klangen leise. Sie waren nicht lautlos, denn sonst würde ich hier nicht zu Ihnen sprechen. Ich duckte mich und machte kehrt und hatte bereits den Drexer gezogen. Der Riese, der mit einem langen Schwert auf mich losgehen wollte, wurde von der Wucht seines Hiebs nach vorn gerissen. Er war schnell. Noch halb im Fallen, ehe ich vorspringen und ihm den Drexer in den Leib rammen konnte, fuhr er herum und ließ das Riesenschwert herumschwingen. Ich übersprang die Klinge, landete katzenhaft weich und stand ihm erneut gegenüber.
Er war ungeheuer groß. Breitschultrig und massig und stämmig, und er nahm nach oben kein Ende; seine strohgelbe Haarmähne überragte mich gute sieben Zoll. Er trug einen bronzebeschlagenen Lederkax und Armbänder aus ziseliertem Gold, und einen ocker-bronzenen Kriegsrock. In seinen Sandalen hätte ein ganzer Invasionstrupp vom Schiff zur Küste übergesetzt werden können. Und sein Schwert – mächtig, dick und breit mit einem kompakten Griffknauf, der wie ein Zhantilkopf geformt war –, ein Schwert, wie ich es auf Kregen bisher noch nicht gesehen hatte. Ich stellte mir vor, daß er damit trotz seiner Kräfte, trotz seiner enormen Muskeln langsam sein müsse.
Dayra stimmte ihr silbriges Lachen an.
»Du kennst Brun noch nicht. Ich halte dieses Zusammentreffen für gerechtfertigt.« Sie hatte Spaß an der Szene. »Bring ihn nicht um, Hyr Brun! Für manche Leute hat seine räudige Haut noch einen gewissen Wert. Wir werden mit ihm einen guten Profit machen.«
Trotz der Mächtigkeit seines Schwertes trug Brun es mit einer Hand; der Griff war schmal und gar nicht für die zweihändige Arbeit gedacht, nicht einmal für einen anderhalbhändigen Griff. Ich machte drei schnelle Schritte rückwärts. Brun, fröhlich, aufgeschlossen, sauberrasiert mit einigen Flecken auf einer Wange, zeigte ein entzücktes Lächeln. Seine Reaktionen erinnerten mich an die einer Katze, die eine Maus beschleicht. Der Drexer fuhr ruckhaft in die Scheide. Ich tastete um mich.
»Herr, du gibst auf?« Bruns klare Stimme erstaunte mich immer wieder – bis man sich die kathedralenhafte Größe seiner Lungen klarmachte. »Das ist klug von dir. Der Herrin muß in allen
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