Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
dieser stocksteif dastehenden Wächter von der Stelle rühren. Soviel war klar. Ich schulterte also den Speer, den ich dem Bogenschützen abgenommen hatte, ein kunstvoll verziertes und blankpoliertes Stück mit weißen und braunen Bändern unter der Spitze, und marschierte hinter Malervo Norgoth, Dayra und den anderen her.
Die Suche nach den beiden Verrückten, die aus dem Sumpf kamen und in Trakons Säulen eingebrochen waren, ging weiter, so daß ich vermuten durfte, man habe das Fehlen des einsitzigen Vollers noch nicht bemerkt. Dies freute mich, denn es bedeutete, daß Lol und Thelda keine Verfolger haben würden. Um so freier stählte ich mich für das Kommende und folgte der Abordnung in einen Seitenkorridor, in dem hohe Fenster schräge Lichtlinien über die Teppiche warfen. Norgoth führte Dayra durch eine ocker und silbern gestrichene Tür in einen Raum.
Ich mußte daran denken, daß Zankov wie auch Jhansi stark an einem Bündnis interessiert waren. Beide wußten um ihre Schwächen und suchten Unterstützung. Und beide – soviel war klar – wollten in einer solchen Partnerschaft der Überlegene sein. Für mich war selbstverständlich, daß ich ihr Zusammengehen nach besten Kräften stören und die Allianz verhindern würde. Eine solche Handlungsweise paßte auch in die Pläne, die ich mit Dayra hatte. Es war wirklich höchste Zeit, daß die kleine Schlange ihren Eltern Rede und Antwort stand. Daß ihre Antworten durchaus sinnvoll ausfallen konnten, habe ich bereits angedeutet, und ich war durchaus bereit, ihren Standpunkt anzuerkennen, wenn wir jemals soweit kommen sollten; allerdings mußte ich gestehen, daß mir jedes umfassende Verständnis für den Mann abging, der Dayras Großvater getötet hatte. Und selbst hier sah ich Gründe, die in sich schlüssig und sogar ehrenvoll waren – aus seiner Sicht. Soviel schuldete ich ihm. Zankov mußte nicht unbedingt der negative, gewissenlose Schurke sein, als den jedermann ihn hinstellte. Wahrscheinlich sah die Wirklichkeit so aus, doch gab es eine Chance, daß er im besseren Licht dastehen konnte.
Als ich mich wie selbstverständlich den beiden Bogenschützen näherte, die die silbern-ockerbraune Tür bewachten, war mir die Parteilichkeit, die meine Gedanken bestimmte, durchaus bewußt: die Verdammung Zankovs, die in meinem Denken wie ein Leuchtturm in stürmischer See aufragte. Aus gutem Grund empfand ich ein Vorurteil gegen ihn und mußte bei meinem Umgang mit ihm dieser Tatsache Rechnung tragen.
»Lahal, Dom!« rief ich dem ersten Wächter entgegen, rang mir eine Grimasse ab, die als Lächeln durchgehen konnte, und nickte seinem Kameraden zu. »Bei den Sieben und den Zweien, ihr habt Glück!«
»Wie das?« fragte der erste Mann und warf seinem Gefährten einen kurzen Blick zu. »Wieso haben wir Glück?«
»Na, ist doch ganz klar! Hier komme ich, um euch abzulösen, während ihr euch damit vergnügen dürft, hinter den Verrückten herzujagen, die in die Feste eingebrochen sind. Ich wünsche euch dabei alles Gute!«
Der Wächter warf mir einen scharfen Blick zu. Doch schon vorher hatte ich das am Gurt hängende Langschwert auf meinem Rücken tief nach unten geschoben, so daß das karierte Tuch den Griff verdeckte. Zwar benutzten die Bogenschützen aus Loh im allgemeinen den walfargschen Lynxter als Klinge, doch hatten sich viele anderen Waffen zugewandt, die sie im Laufe ihres Söldnerlebens erbeutet hatten. Mein Drexer konnte also nicht weiter auffallen. Der zweite Wächter setzte ein breites, zufriedenes Lächeln auf.
»Das ist wirklich eine gute Nachricht. Komm, Nath, wir wollen loslaufen, ein paar Rasts mit Pfeilen eindecken und uns den Sold verdienen.«
»Gern, Naghan, ich mache mit!«
Mit flottem Söldnerschritt marschierten sie fort, nicht ohne mir noch ein kurzes »Remberee!« und ein Lachen zugeworfen zu haben. Ich stand an der Tür, atmete auf und begann zu überlegen.
Der Einbruch war kein Problem. Vermutlich würde es keine große Schwierigkeit sein, einige der versammelten Cramphs auszuschalten. Aber Ros die Klaue würde kämpfen. Sie würde kämpfen wie schon bei früherer Gelegenheit, bei der sie mich allerdings zuletzt geschont hatte. Mir war nicht danach, noch einmal meiner Tochter mit nacktem Stahl gegenüberzutreten.
Eine kleine List war angebracht.
Es war viel zu lange her, daß mir etwas zu essen über die Lippen gekommen war, ein sehr ungesunder und wenig geselliger Umstand hier auf Kregen, bei Krun, und viel zum Schlafen war
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