Saga von Dray Prescot 21 - Jikaida-Zyklus 03 - Ein Schicksal für Kregen
stieg gerade über dem flachen Weideland des Ostens auf und hüllte die vor uns aufragenden Bergflanken in ihren rosagoldenen Schein. Die Nacht war hell von den kregischen Sternen. Nodgen raffte seine Lumpen an sich, um dem Fliehenden den Weg freizumachen. Seine Ketten klirrten. Ich rollte mich herum, fuhr hoch und sah, was sich da abspielte. Stöhnend begann ich dem Verfolger einige Calsanys in den Weg zu drängen.
Jeder Kreger weiß, was Calsanys anstellen, wenn sie aufgeregt oder verängstigt sind. Hunch bemerkte die Bewegung. Er hielt auf die Herde zu, schob die Tiere hin und her und huschte vorbei, nicht ohne mir noch schnell zuzuflüstern: »Sei bedankt, Jak!«
Die Calsanys legten los.
Überall im Saal richteten sich Sklaven auf und begannen lauthals zu protestieren und die Störenfriede zu verwünschen – ehe sie sich aufrafften und schleunigst das Weite suchten.
»Ich schmore deine Eingeweide, würze sie mit Knoblauch und serviere sie bei Tisch, du Hulu!« kreischte der Dicke Ringo.
Er tänzelte keuchend hin und her und schüttelte die Axt und das Messer. Aber er machte keine Anstalten, sich zwischen die Calsanys zu drängen.
Wieder ächzte ich – man hatte mich gestern zweimal gnadenlos ausgepeitscht –, bewegte mühsam die schmerzenden Gliedmaßen und schlurfte aus dem Weg.
Die Eisenketten, die meinen ausgemergelten Körper verzierten, behinderten mich bei jeder Bewegung. Ich schleppte mich dahin wie ein halb zertretener Käfer. Doch würde niemand in der Nähe von Calsanys schlafen können, solange sie dermaßen verstört waren.
Auf eine wüste Weise war die ganze Szene sogar lächerlich. Sobald Hunch in Sicherheit war, würde er das Hühnchen hinunterschlingen und die Knochen verstreuen, und niemand konnte hinterher beweisen, daß das Huhn jemals existiert hatte. Der Dicke Ringo wußte das natürlich. Er wich vor den Calsanys zurück.
»Dich erwische ich noch – Llunyush der Saftige steh mir bei! Dich erwische ich noch!«
Hunch war zu klug, um zu antworten. Er hockte hinter den Calsanys und hatte sicher längst den ersten Schenkel zwischen den Zähnen. Mir würde er nichts übriglassen, was ich verstehen konnte. Das Beweisstück mußte restlos vernichtet werden.
Schon legten sich die Sklaven wieder zum Schlafen nieder, nicht ohne noch einmal auf die Rasts zu fluchen, die sie beim Schlummern störten. Für einen Sklaven ist Schlaf der wichtigste Balsam. Der Dicke Ringo schwenkte seine Axt, atmete tief durch und machte sich auf den Rückweg zu seinem Feuer. Er war ein Apim – die meisten hervorragenden Köche sind Apims –, und als er mich erblickte, versuchte er mir im Vorbeigehen einen Tritt zu versetzen.
»Ich weiß, wer es war!« bellte er.
Ich rollte mich zur Seite, fand eine gemütliche Vertiefung im Boden und zog die Lumpen fester um mich. »Ach? Na, dann versuch es zu beweisen!« Und ich schloß die Augen und versuchte weiterzuschlafen.
Am Morgen würde die Karawane früh aufbrechen und den größten Teil des Tages unterwegs sein, nur durch eine längere Erfrischungspause unterbrochen. Für uns Sklaven bestand diese Mahlzeit, wenn wir Glück hatten, aus einem Stück Brot und einer Zwiebel. Abends erhielten wir jeder eine Schale Brei und vier Palines – oder nur drei, wenn der Dicke Ringo schlecht gelaunt war. Unser Herr und Meister saß unterdessen großartig in seinem Zelt, umgeben von allen Annehmlichkeiten des täglichen Lebens, die sich auf einer Expedition mitnehmen lassen: Klapptisch und Stühle, ein zerlegbarer Waschtisch, darauf Vorratskrüge mit all jenen Leckereien, die ein Leben in Reichtum so angenehm machen. Die schönsten Kreationen des Dicken Ringo wurden dem großen Herrn auf goldenen Tabletts serviert.
Strom Phrutius, so hieß unser Herr, ein verdammter Strom aus einem der kleinen Königreiche der Länder der Morgendämmerung, ungeheuer reich und doch nur ein Strom, etwa mit einem irdischen Herzog zu vergleichen, und insgeheim bestrebt, den Titel eines Kov zu erringen – oder zumindest den eines Vad. Wenn nur die geringste Chance bestanden hätte, damit durchzukommen, hätte sich der alte Knabe auch gleich zum König ernannt.
Dies war auch der Grund für seine Expedition.
Er hatte mich und eine Horde anderer Sklaven erstanden, um sich eine gemütliche Reise zu machen – und hier war ich nun! Viermal hatte ich zu fliehen versucht, und viermal war ich an den Fersen zur Karawane zurückgeschleift worden. Meine Versuche waren aus hektischer Verzweiflung geboren
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