Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
waren alte Kampfgefährten, so daß mich solche Sprüche nicht kränken konnten. Eher spürte ich ein Aufwallen von Dankbarkeit gegenüber diesem rundlichen, gedrungenen Mann mit dem roten Gesicht und der unförmigen Nase. Bei Zair! Ich trat hier wahrlich nicht auf wie ein hochherrschaftlicher, mächtiger Herrscher – der ich ohnehin nicht war – und mußte dringend die Zukunft in den Griff bekommen. Meine persönlichen Probleme mußten wie immer hinter den allgemeinen größeren Zielen zurückstehen.
»Bei Vox, Naghan, du hast recht! Du suchst mir Zankov, und ich versuche die Situation mit Prinzessin Dayra zu regeln. Außerdem mache ich mir Sorgen um Kovneva Tilda ...«
»Ich auch.«
»Ja, Naghan. Wenn wir Vallianer nicht zusammenhalten, bricht bald das ganze weite Kregen zusammen.«
»Meine Leute«, sagte Naghan, und ich fragte nicht, wen er meinte. Jeder gute Spion wird sich so schnell wie möglich eine Organisation schaffen, und es lag auf der Hand, daß Naghan zahlreiche Personen angeworben hatte, die für ihn die Augen offen hielten. Wahrscheinlich wußten viele nicht einmal, was sie da für den fröhlich lachenden Mann taten, der mit Bier und Gold großzügig war. »Meine Leute melden, daß sich in der Stadt mehr Ifts als sonst herumtreiben. Ich möchte ja nicht finster oder pessimistisch reden, aber ich fürchte, Kovneva Tilda ist nicht bei dem Ift-Trupp und den drei Wagen, denen deine drei Freunde nachgejagt sind.«
»Das überrascht mich nicht. Ich hatte gleich so ein Gefühl.«
»Ich lasse Erkundigungen einholen.«
Man hätte bei diesen Worten lachen können. Naghan Raerdu hatte sehr wenig gemein mit dem obersten vallianischen Spionageherrn, Naghan Vanki. Unabhängig von Naghan Vanki hatte ich mir einen eigenen inneren Spionagering geschaffen, nicht weil ich meinem obersten Spion mißtraute, sondern weil ich eigene Informationsquellen haben wollte. Dieser Gedanke brachte mich auf die Frage: »Was führen eigentlich Naghan Vankis Leute im Schild?«
Sein Lachen war eine phänomenale Naturerscheinung; die Wangen schimmerten rot wie Zim, die geschlossenen Lider ließen Tränen sprühen. Er geriet ins Glucksen. Endlich brachte er heraus: »Sie stochern forschend herum. Einer dieser Burschen – Nath der Lange – hat sich bei der Armee verpflichtet, wo er jetzt Momolams schälen muß. Welch ein Fambly! Ein anderer – Ortyg der Sko-Händige – ist nachts ins Gebäude des Hauptquartiers eingebrochen und konnte knapp entkommen; er büßte seine halbe Hose ein. Ich sage dir eins, Jak. Naghan Vanki mag ja ein schlauer Spionmeister sein, aber er braucht bessere Untergebene. Zumindest hier, bei Vox!«
Aus diesen Worten ging für mich hervor, daß Naghan Raerdu im amtlichen vallianischen Spionagenetz in Bormark einen Informanten sitzen hatte. Dies fand ich ungemein befriedigend. Ich konnte nur hoffen, daß Naghan Vanki nichts davon erfuhr. Vallia loyal ergeben, war er ein ziemlich verbohrter, trockener Meister seines Fachs, mit dem ich schon so manchen Strauß ausgefochten hatte ...
Ein Unter-Kammerherr in läppischer dandyhafter Robe eilte aufgeregt herein.
»Naghan Raerdu!« rief er. »Du hast schuld! Du mußt die Sklaven besser beaufsichtigen!«
»Was ist denn?«
»Zwei deiner Schützlinge wälzen sich auf der Halbtreppe herum und sind betrunken wie Kovs. Und sie haben das Bier aus ihren Eimern verschüttet ...«
»Pandrite soll sie alle niedermachen!« schrie Naghan. »Es schadet nichts, wenn sich Sklaven mal mit Bier volltrinken wie jeder ehrliche Bürger. Wenn sie das kostbare Naß aber verschütten ...« Er watschelte hastig davon, rot angelaufen und schnaubend, und ich entfernte mich ebenfalls. Trotz allem war ich einigermaßen erfreut.
Naghan arbeitete nicht für den Palast; er lieferte sein Bier und sorgte für die erste Verteilung. Zweifellos würde der Unterkammerherr Constanchions spitze Zunge zu spüren bekommen, sobald dieser wieder auf den Beinen war. Wer für das verschüttete Bier zu bezahlen hatte – diese Frage würde bestimmt zu einem lebhaften juristischen Disput führen.
Plötzlich ging mir auf, daß ich Hunger verspürte, und ich begab mich zur nächsten Messe. Dort war im Augenblick wenig los; aber das machte mir nichts.
Am Ende eines Querkorridors stand eine Frau und blickte mir entgegen.
Ich mußte nach rechts. Damals begriff ich nicht recht, warum ich sie mit plötzlichem Interesse musterte. Ich schaute sie an. Sie blieb ruhig stehen und rührte sich nicht. Sie war in
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