Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
versteckten Andeutungen und vorsichtigen Fragen brachten nichts von dem zum Vorschein, was ich hören wollte. Man begann zu singen, als die Zwillinge am Nachthimmel aufstiegen und rosagoldenes Licht in die kopfsteingepflasterte Straße schickten. Die Laternen in der Taverne überstrahlten diesen Mondschein. Als erstes wurde ein pandahemisches Lied angestimmt, ›Das Lied von Patoc Panji dem Neemu‹.
Dagegen hatte ich nichts. Der Text beginnt: »Als Junge im fröhlichen Panji hatt' ich ein langweiliges Leben. Dann schrieb ich mich ein und begann nach Ehre zu streben.« Natürlich ist dies eine sehr schlechte Übersetzung, doch gibt sie einen Eindruck vom Original. Patoc Panji ging auf allerlei Reisen, vollbrachte unglaubliche Taten und stieg vom Patoc schnell in den Deldar-Rang auf, dann wurde er Hikdar und – in einigen Fassungen – auch Jiktar, ehe er sich – o Graus! – mit der Frau seines Herrn einließ und im Nu wieder Patoc war.
Ich fiel in das Lied ein und versuchte mir einzureden, daß ich damit etwas erreichte, was mich voranbrachte. Dann ertönte ›Das Hängen von Drak dem Teufel‹.
Die Melodie war ein berühmtes altes Lied aus Vallia. Die Worte waren nicht nur obszön, sondern sehr gegen Vallia gerichtet. Daraufhin verließ ich die frohe Runde – wutschnaubend, hilflos, bereit, ins Bett zu gehen.
Man könnte wahrlich sagen, daß der Herrscher von Vallia von einem Lied besiegt worden war. So empfand ich es jedenfalls an diesem Abend ...
Beunruhigend war vor allem, daß Pandahem eigentlich im Bündnis mit Vallia hätte stehen müssen, da Vallia bei der Vertreibung der verhaßten hamalischen Eroberer eine wesentliche Rolle gespielt hatte. Solche dummen intolerant-nationalistischen Tendenzen hatte ich schon in Hamal genug erlebt. Bei Vox, ich wollte Pando bohrende Fragen stellen, wenn er zurückkam.
So kroch ich in den Zhantil-Palast zurück und hatte das Gefühl, nichts erreicht zu haben und lediglich unschönen Erkenntnissen begegnet zu sein – ein Tag, der nicht so sehr verschwendet wie völlig überflüssig war.
12
Am nächsten Morgen erwachte ich, rollte mich auf die Seite und stöhnte. Einer der verzierten Lederstiefel lag in der Ecke des Schlafsaals, der andere vor einer Seitenwand – so heftig hatte ich sie fortgeschleudert. Ich begab mich in Pandos Gemächer, suchte mir einen nüchternen grauen und blauen Anzug heraus und trottete schließlich in den Speisesaal, wo der Kornbrei heute früh nicht mit rotem Honig versetzt war. Die Brote schmeckten schal, die Palines ausgedörrt, der Tee war schwach. Mürrisch suchte ich Naghan Raerdu auf.
Ich verschwendete hier meine Zeit. Ich tat nichts, außer unerwünschte Tatsachen zu erfahren, während meine Kameraden bei der Verfolgung von Schurken allerlei aufregende Abenteuer erlebten.
Im Korridor, der zu Naghans Kellereingang führte, näherte sich schlangengleich eine junge Sklavin. Sie trug einen grauen Sklaven-Lendenschurz und war barfuß, doch trug sie eine Blume im Haar, das schön gekämmt war, und um den Hals eine Perlenkette. Sie verzog gekonnt-schmollend die Lippen und ließ die Lider auf und nieder flattern – ich schwör's, ich irrte mich nicht!
»Horter Jak ...«
»Ja?«
»Mein Herr bittet dich sofort zu sich.«
»Ach, wirklich?« antwortete ich leise. »Und wer ist dein Herr?«
»Nun ja, natürlich der Bierverwalter, Herr.«
»Geh voraus! Genau den Mann wollte ich sprechen.«
Sie führte mich an der Kellertür vorbei durch einen mit Vorhang verschlossenen Torbogen in einen schmalen Raum, in dem sich an einer Wand lange Regale hinzogen, auf denen sich Kristallflaschen reihten. Das durch ein hohes Fenster hereinströmende Sonnenlicht brach sich tausendfach an den Glasrundungen. Apfelgrün und hellrosa, das Morgenlicht der Zwillingssonnen Zim und Genodras. So wurden die beiden oft in Nord-Pandahem genannt, während im Süden vorwiegend von Far und Havil gesprochen wurde – so groß war die Spaltung zwischen Nord und Süd auf dieser Insel. Sehr häufig werden die Sonnen in Pandahem auch Panronium und Panigium genannt, vorwiegend von älteren Leuten.
Naghan war damit beschäftigt, eine orangerote Flüssigkeit von einer Kristallflasche in ein Retortengefäß umzufüllen. Er hob den Blick, nickte mir grüßend zu und beendete seine Arbeit.
Dann sagte er: »Vielen Dank, Saffi. Nun lauf los und such mir ein schönes Stück Brot und einen Streifen Loguetter. Ich habe Hunger.«
Sklavin Saffi nickte und huschte davon. Sie
Weitere Kostenlose Bücher