Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
selbst gegenüber, machte ich mich auf die Suche nach Naghan Raerdu.
»Verflixt!« rief ich auf meiner Wanderung durch die Palastkorridore. »Was soll ich Pompino antworten, wenn er mich fragt, was ich den ganzen Tag getrieben habe?«
Ich hegte den unangenehmen Verdacht, daß Pompino und Framco ohne Tilda zurückkehren würden. Natürlich war dies nur eine Vorahnung ohne jegliche gedankliche Anstrengung meinerseits. Die beiden mochten Twayne Gullik einholen; vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war Tilda bei den Ift, vielleicht nicht. Mir blieb nichts anderes übrig, verlorenen Boden wiedergutzumachen, indem ich Naghan Raerdu ausfragte.
Er beaufsichtigte das Anstechen von Fässern für den Abend. Dabei nahm er es sehr genau, denn in diesen Dingen war Naghan Fachmann. Die satten Gerüche der Kellerräume, das Aroma des Staubs, die hallenden Arbeitsgeräusche der Sklaven, das Durcheinander der dienstbaren Geister – dies alles beschwingte mich irgendwie. Naghan Raerdu kam aus Vallia und war ein guter Mann, und er hatte der Sklaverei abgeschworen. Wo er gezwungen war, sich den Sitten eines anderen Landes anzupassen, tat er, was ich mir von jedem modernen Vallianer erhoffte. Die Sklaven wurden gut behandelt und wußten, daß ihre Arbeit, das Anstechen von Fässern und das Befördern von Vorräten in die Messen und Speisesäle des Palasts, allerlei Vorteile brachte. Sie würden schon ihren Anteil an den Getränken bekommen, sonst wären sie nicht schlau genug für die Arbeit.
»Jak.«
»Naghan.«
»Du siehst aus – verzeih, wenn ich das sage – Vorsicht mit dem Zapfhahn, du Linkshändiger Olan! –, als hättest du schlechte Nachrichten. Ich hoffe, daß du dich irrst – fest hineinschlagen, du Fambly, Nodgen Kerbohren! –, denn deine neuen Gefährten und der Cadade sind weder zurückgekehrt, noch haben sie eine Nachricht geschickt.«
»Um sie geht es nicht, Naghan. Ich muß mit dir sprechen ...«
»Aber gewiß doch, Jak – haltet den Eimer schief, ihr unmöglichen Famblys! Laßt das Bier aufschäumen, das prächtige Bier!«
Schaum quoll über den Steinboden. Naghan sank nicht auf die Knie und leckte das verschüttete Bier auf; er hätte es tun können, und niemand wäre überrascht gewesen. Er hatte sich während des Vorfalls im Kopflosen Zorcareiter als loyal und umsichtig erwiesen. Ich glaubte ihm trauen zu können; aber das war nicht der Grund, warum ich mit ihm sprechen wollte.
Das Faß leerte sich gluckernd in eine lange Reihe von Trageimern, und Naghan hatte schließlich Zeit, sich voll auf mich zu konzentrieren.
Ich nahm kein Blatt vor den Mund.
»Ach, er behauptet, du hättest den alten Herrscher ermordet? Hmm ...« Naghan verzog das Gesicht. »Da kann man verstehen, warum sie dich haßt.«
»Ich habe die Absicht, diesen Zankov an der Gurgel zu packen und die Wahrheit aus ihm herauszupressen, damit der Prinzessin Dayra weitere Irrtümer erspart bleiben.«
»Ein sehr wünschenswertes Anliegen, Jak, wenn auch ziemlich ungemütlich für Zankov.«
»Du hast ihn noch nie zu Gesicht bekommen?«
»Nein.«
»Schade. Aber du würdest ihn erkennen ...?«
Naghan Raerdu hatte seine bierschleppenden Sklaven im Auge behalten. Nun wandte er sich ganz in meine Richtung.
»Er ist hier, in Port Marsilus?«
»Anzunehmen. Das will ich ja gerade herausfinden.«
»Kann ich für dich erledigen.«
Ich berichtete ihm, was ich getan hatte, und er nickte und ließ unter den geschlossenen Lidern Tränen hervorsickern. »Man wird die schicke neue Armee übersetzen, und der Prinz Majister wird sie zerschmettern wie das letztemal.«
»Tom die Nase, der mir ein ziemlich ordentlicher Paktun zu sein scheint, machte mir einen sehr zuversichtlichen Eindruck.«
»Zeig mir einen Anwerbungs-Deldar, der das nicht tut.«
»Du warst Relianchun in der Phalanx, Naghan. Wir beschäftigen in Vallia keine Söldner. Ich bin davon überzeugt, daß Drak seine Gegner besiegen kann; aber es liegt an uns, ihm nach besten Kräften zu helfen, ehe diese verdammte Armee einen Fuß auf vallianischen Boden setzt. Es wäre zu schön, wenn es gar nicht erst dazu käme.«
»Dein Sohn, Prinz Drak, hat seine Gegner in der Schlacht von Corvamsmot zerschlagen. Das wird er wieder tun, wenn wir nicht verhindern können, daß die Streitmacht in See sticht.« Er schaute sich um. Obwohl uns niemand hören konnte, beugte er sich zu mir herüber. »Majister! Kopf hoch, brassud! Du schaffst es sonst noch, daß ich mich unwohl fühle!«
Raerdu und ich
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