Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
ein langes hellblaues Gewand gekleidet, das sich im Kreis um ihre Füße legte. Das Haar schimmerte kastanienrot. Die Hände waren vor dem Körper verschränkt, in den weiten Ärmeln der hellblauen Robe halb verborgen. Den Kopf hatte sie gesenkt, so daß ich auf dem verborgenen Gesicht nur einen vagen Eindruck von einer kleinen Nase und hohen Wangenknochen gewinnen konnte. Ich ging weiter, und ein vorbeieilender Sklave huschte mir aus dem Weg, ein natürlicher Reflex seines täglichen Lebens, und als ich mich noch einmal umschaute, war die Frau in Blau verschwunden.
Ich dachte nicht weiter über die Begegnung nach, sondern konzentrierte meine Phantasie auf ein schönes Stück Voskpastete oder ein rosiges Ordel-Steak und eilte zur Offiziersmesse.
Kurz vor dem Eintreten sah ich die Frau in der blauen Robe wieder. Sie stand in unveränderter Haltung da, starr und reglos, das kastanienrote Haar im Laternenschein schimmernd. Noch während ich hinschaute, begann sie zu schimmern, wabern, verschwinden. Ich blinzelte.
Einer von Framcos Wächtern, der es ebenfalls eilig hatte, zu seiner Abendmahlzeit zu kommen, rannte mich beinahe um, als ich so plötzlich stehenblieb.
Er fluchte, sah, wer ich war, und entschuldigte sich.
»Hast du die Frau gesehen?« fragte ich. »Die Frau im blauen Kleid?«
»Ja«, antwortete er. »Sie ist in die Messe gegangen. Ich hätte nichts dagegen, ihre Bekanntschaft zu machen.«
Er eilte weiter, und ich folgte ihm. Für mein Gefühl war die Frau viel zu schnell verschwunden, als daß sie sich normal bewegt hätte. Vielleicht hatte ich etwas übersehen, vielleicht hatte ich im falschen Moment geblinzelt. Während ich mir einen Platz zum Sitzen suchte, ging mir gleichwohl der Gedanke nicht aus dem Kopf, daß sich die Frau in der hellblauen Robe verflixt schnell davongemacht hatte. Verflixt schnell!
Außerdem war sie im Speisesaal nirgends zu sehen ...
Zum Essen gab es Leavings-Pastete – aus Leavings, die mir nicht sonderlich schmackhaft vorkamen. Naghans Bier stand auf den Tischen, frisch und schäumend, und nach dem ersten Bissen schob ich den Teller mit Leavings-Pastete zur Seite und stand auf. Ich wollte mir eine Taverne suchen, in der es vernünftig zu essen gab.
Die Kleidung, die ich den ganzen Tag getragen hatte, war reif zum Wechseln, so daß ich zum zweitenmal Pandos Schränke plünderte. Diesmal wählte ich eine vornehme und doch abenteuerlustige Aufmachung, wie sie ein junger Heißsporn bevorzugen mochte, der mal richtig ausgehen wollte. Wenn es in Port Marsilus so etwas wie Ruathytus Heiliges Viertel gab, war ich dafür genau richtig angezogen.
Die Kombination von Grau und Grün und Blau war durchaus alltäglich. Der apfelgrüne Puttah über der linken Schulter war golddurchwirkt und bestickt. Goldene und silberne Verzierungen überzogen auch den Rest des Anzugs. Die flachen Stiefel bestanden aus weichem Leder, das golden genarbt und eingelegt war, beinahe so schön, wie man es in Magdag finden konnte. Mein dunkelgrauer Hut hielt eine hoch aufragende dunkelblaue Feder in einer juwelenbesetzten Klammer. Da mir Pandos Vermögenslage bekannt war, fragte ich mich, ob es sich bei den Edelsteinen um hervorragende Fälschungen handelte; sie sahen echt aus. Ich stellte sie nicht auf die Probe, denn ich hatte das Gefühl, daß ich damit Pando und mich selbst herabwürdigen würde. Was für ein dummer Bursche ich doch war!
Dermaßen ausstaffiert, schlenderte ich in die Stadt. Wenn Sie sich fragen, wieso ich mich so phantastisch putzte – nun, ich hatte das früher schon getan und würde es wieder tun. Ich sah wahrlich wie ein Laffe aus, ich, der ich es eher gewohnt war, in einem roten Lendenschurz durch den Wald zu stürmen und dabei ein zweihändiges Krozair-Langschwert zu schwingen!
Ich verzehrte in der Taverne Paline und Brunestab eine selbst zusammengestellte Mahlzeit – die den Großteil eines goldenen Deldys kostete, und spülte sie mit einem denkbar schlechten Bier hinunter. Wenn ich schließlich auf Wein überwechselte, brauchte ich einen klaren Kopf. Der Paline und Brunestab war eine hervorragende Taverne. Die meisten Gäste waren hochstehende Offiziere, und nur deshalb hatte ich dieses Gasthaus gewählt. Ich wollte ein bißchen auffallen wie ein Coy bei den Kaidur-Paarungen in der Arena.
Es fiel mir nicht schwer, Gesprächspartner zu finden, besonders als der Wein herumgereicht wurde; etwas Wichtiges dabei herauszufinden, war schon mühseliger, denn ich fand nichts. Meine
Weitere Kostenlose Bücher