Sagan
ihm nur die Gelegenheit geben, sie zu entfalten. Ihr Bruder war der Pessimist und hatte ein Auge auf diejenigen, die ihre Güte missbrauchen könnten. Sie betätigte sich in der Gemeinschaft; er hatte die Stadt erbaut, die diese Gemeinschaft beherbergte und schützte.
Es war eine großartige Kombination.
Malaya hatte ihre jugendliche Naivität im Laufe der Jahre verloren, in denen sie um ihren rechtmäßigen Platz gekämpft hatte. Der Krieg ernüchterte schließlich jeden. Sie hatte nur Erwartungen, von denen sie sich vorstellen konnte, dass sie sich auch erfüllten. Und wenn es funktionierte, war es jedes Mal wie ein Wunder. Ein Teil war ihren Vorahnungen zu verdanken, doch alles andere war tiefer Glaube und Kreativität. Sie konnte in die Zukunft sehen, das stimmte, doch der Trick war, es wahrzumachen, und darin war sie unübertroffen.
»Guin!«
Der Schrei kam unvermittelt, ein markerschütternder Schrei voller Verzweiflung. In Sekundenschnelle war Guin bewaffnet und in ihrem Schlafgemach. Seine Augen suchten den Raum ab, und sie rief erneut nach ihm. Malaya saß mit ausgestreckten Armen und mit Fingern, die nach etwas zu greifen schienen, aufrecht im Bett, während ihre schönen whiskeyfarbenen Augen zur Decke starrten, ohne etwas zu sehen.
»Guin!
Guin
!«
Sie würde den ganzen Hof zusammenschreien, wenn sie so weitermachte. Weil er wusste, wie sehr sie es hasste, von Leuten umringt zu sein, wenn sie erwachte und nicht wusste, was geschehen war, stürzte er zum Bett, schlang die Arme um sie und zog sie fest an sich.
»Schhhh«, versuchte er, sie zu beruhigen, während sein Herz vor Angst wild pochte.
Bei den Göttern
, dachte er, als die Erkenntnis ihn schlagartig durchfuhr,
wie soll ich sie jemals verlassen?
In solchen Momenten glaubte er, ihre Hilfeschreie überall auf der Welt hören zu können, auch wenn er noch so weit von ihr entfernt war, und dass er seiner Berufung, sie zu schützen, niemals entrinnen könnte. »Ich bin da, mein Liebling«, flüsterte er an ihrem Ohr. Ihr Geruch überwältigte ihn, und ihre Fingernägel, die sie ihm in den bloßen Rücken grub, lösten nicht nur Schmerz aus.
Sie weinte nicht, und er wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war. Manchmal bedeutete es, dass sie zu erschrocken war, um in Tränen auszubrechen, ein andermal wieder bedeutete es, dass es keinen Grund dazu gab. Doch selten hatte sie so geschrien.
»Guin«, krächzte sie und klammerte sich verzweifelt an ihn.
»Ja, ich bin da«, versicherte er ihr und drückte ihren schlanken Körper so fest wie möglich an sich. Er hörte Rika auf der Türschwelle, doch sie kehrte in ihr Zimmer zurück, wie üblich, wenn sie merkte, dass Guin die Situation unter Kontrolle hatte. Er fand es belustigend, denn die Situation war völlig außer Kontrolle.
»Guin … mein Guin«, flüsterte sie, während sie ihm mit den Fingern durchs Haar fuhr.
Guin spürte, wie sich bei der Berührung jeder Muskel in seinem Körper zusammenzog, doch es war mehr die Wirkung ihrer Worte. Oh, sie hatte ihn schon früher so genannt, doch da hatte sie es nur so dahingesagt. Diesmal lag eine große emotionale Intensität darin, während sie ihm so nah war. Er spürte den Geruch ihres schlafwarmen Körpers unter dem verrutschten Seidenstoff ihres
K’jeet
. Und die Berührung ihrer Hände, die ihn daran erinnerte, wie sie ihn erst vor Kurzem zu sich heruntergezogen hatte, um ihn zu küssen.
Guin schloss die Augen und versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. Sie würde bald aufwachen, und er wollte dann nicht in einem Zustand sexueller Erregung sein. Es wäre ein abscheulicher Verrat! Sie hasste es, wenn sie verwundbar war und ihre Handlungen nicht kontrollieren konnte, und sie würde ihn dafür verachten, dass ihn das erregte. Bei den Göttern, das hatte er nicht gewollt! Er kämpfte dagegen an, doch es war, als hätte sie eine Schleuse geöffnet, und seine Kraft reichte nicht aus, um sie wieder zu schließen.
Er brauchte Hilfe.
Guin hörte sie leise stöhnen, und ihr ganzer Körper versteifte sich in seiner Umarmung. Er lockerte seinen Griff, und sie entwand sich ihm langsam, wobei ihre zarte Wange über seine strich, während sie seinen Blick suchte. Sie war sehr blass, und ihre Pupillen waren schreckgeweitet. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, wobei ihre schlanken Finger leicht seine Koteletten kitzelten.
»Guin«, seufzte sie.
»Was hast du gesehen?«, fragte er sie. Es war wichtig, dass er Bescheid wusste. Ihre Visionen hatten sie
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