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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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frei, als er um mich spielte?«
    »Sie hat recht!« jubelte Vikarna, der jüngste der Kauravaprinzen, ein anmutiger Jüngling. »Die schöne Muhme ist frei, denn Judhischthira war ein recht- und eigenloser Sklave, als er um sie würfelte!«
    »Und ich sage: Sklavin ist sie!« rief Karna zornig.
    »Sklavin und Sklavengattin, die den König von Anga verschmäht hat! – Reißt ihr die Prachtgewänder vom Leib! sie ziemen der Ehr- und Eigenlosen nicht!«
    Der wilde Duchschasana sprang auf sie zu und packte ihr purpurrotes Oberkleid.
    Hoch aufgerichtet stand Draupadi, den Blick gen Himmel erhoben, und betete:
    »Erhabener Wischnu! Du wirst die Wehrlose schützen vor Schmach!«
    Und ein Wunder geschah: sooft auch Duchschasana der Betenden den Purpur von der Schulter riß, war dort ein neuer, von königlicher Pracht, zu sehen.
    Angstvolle Stille herrschte im Saal, nur Duchschasana setzte keuchend seine Henkersarbeit fort.
    Da zitterte Bhimas Stimme durch die Halle:
    »Nie will ich mit den Ahnen an Indras Tafel Soma trinken, wenn ich nicht halte, was ich jetzt schwöre: Aufreißen werd' ich im Kampf Duchschasanas Brust und trinken das Herzblut dieses törichten Auswürflings der Bharata!«
    Alle starrten vor Entsetzen, nur Durjodhana höhnte:
    »Nun, Vetter Judhischthira, König des Rechtes, wie denkst du über den Rechtsfall: Herrin oder Sklavin?«
    Bleich vor Scham und Entsetzen, schwieg der Unglückliche und wies mit der Hand auf den ehrwürdigen Großvater.
    Da erhob sich Bhischma und sprach:
    »Versöhnt und vertragt euch, Enkel des Bharata, denn hier ist das Recht nicht zu finden! Judhischthira durfte als Sklave nicht würfeln, er hatte kein Eigentum, doch muß die Gattin dem Gatten folgen in Elend und Not!«
    »Hört ihr?« jubelte Durjodhana, »meine Sklavin ist die Stolze!«
    Da tastete Gandhari nach der Hand des blinden Königs und flehte:
    »Hilf mir von diesem Sohn, mein Gatte, verbann' ihn, verstoß' ihn, er ist der Untergang unseres Hauses!«
    Dhritaraschtra raffte sich auf und rief:
    »Halt! Draupadi ist frei, und für die Schmach, die sie erlitten, darf sie drei Wünsche tun! So will ich, daß meine Gatten auch des Sklavenloses ledig sind!«
    »Gewährt!« nickte Dhritaraschtra. »Was noch?«
    »Was noch?« lachte Draupadi unheilverkündend.
    »Nichts! Die freien Pandava schwingen das Schwert und legen mir die Welt zu Füßen! – Hütet euch!«
    »Nein, nein!« rief Durjodhana voll Sorge, »das gilt nicht! Sklaven sind die Pandava, Sklavin ist die Stolze! Hier, Draupadi, salbe meine Füße, wie es der Sklavin geziemt!« und aus dem Kleid streckte er sein nacktes Bein, um die Edle zu schmähen!
    Wieder hörte man Bhimas Stimme in verhaltenem Zorne erzittern:
    »Nie soll Bhima mit seinen Vätern vereinigt werden, wenn er nicht dem Frevler im Kampfe dies Bein zerschmettert!«
    In das eisige Schweigen des Schreckens scholl auf einmal das klägliche Heulen eines Schakals.
    Entsetzt sprang Dhritaraschtra von seinem Stuhle auf:
    »Der Unheilkünder! das böse Zeichen des Unterganges!« murmelte er zitternd.
    »Geht, geht!« stammelte er, »Söhne meines Bruders – ihr seid frei – fort – fort – in euer Reich – niemand soll euch kränken – und ihr niemanden – geht – geht!«
    Erschöpft sank der Greis in seinen Stuhl zurück.
    Die Pandava riefen nach ihren Wagen und brachen eiligst nach Indraprastha auf.
    Bald aber holte ein Bote Dhritaraschtras die Heimkehrenden ein und lud sie aufs neue nach Hastinapura.
    Der Neiding Durjodhana, der wilde Duchschasana und der ränkesüchtige Schakuni hatten den schwachen König umgestimmt. In düsteren Farben hatten sie die Gefahr geschildert, daß die zürnenden Helden an der Spitze ihres Heeres wiederkehren könnten, daß das Geschlecht der Bharata sich in blutigem Bruderzwist selbst vernichten würde. Einen einzigen Weg, den Krieg zwischen den nahverwandten Häusern zu vermeiden, wiesen sie dem Blinden: Ein letzter Gang mit den Würfeln! und der Verlierer sollte mit seiner ganzen Sippe widerstandslos in lange Verbannung ziehen.
    Der schwachmütige Vater sah hier eine Hoffnung, den blutigen Zusammenstoß zu verhindern, und sandte den Pandava jenen Eilboten nach.
    Die kamen zurück und hörten die Bedingungen des Spieles: dem Sieger die Krone beider Reiche; die Sippe des Unterlegenen geht in die Verbannung, zwölf Jahre frei im Wald, als entthronte Fürsten hausend, zwölf Monde unerkannt in einer Stadt, das Joch der Knechtschaft tragend!
    Judhischthira nahm die

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