Sagen und Märchen Altindiens
Fürsten Indiens gefangen, um sie in einem feierlichen Opfer dem Gotte Schiwa zu weihen.
Die beiden Gattinnen von Jarasandhas Vater hatten einst jede ein halbes Knäblein zur Welt gebracht und diese Mißgeburten im Walde ausgesetzt. Eine Hexe hatte sie gefunden und die beiden Hälften unter mächtigem Zauberbann zusammengefügt. So war das starke Kind Jarasandha ins Leben getreten und wuchs am Hof von Magadha zum grausamen und gewalttätigen Herrscher heran. Schischupala, der König von Tschedi, war sein Feldherr und williges Werkzeug.
Krischna, Ardschuna und Bhima zogen als Brahmanen verkleidet nach Magadha, forderten Jarasandha auf, seine Gefangenen freizulassen und luden ihn zum Königsweihopfer nach Indraprastha.
Jarasandha lachte sie aus. Er hatte die Verkleideten als Krieger erkannt, denn jeder von ihnen trug am Unterarm eine mächtige Narbe, wie sie die Sehne des schweren Streitbogens den Schützen schlägt.
Im Übermut forderte er Bhima, den Stärksten, zum Faustkampf heraus. Es begann ein furchtbares Ringen, das vierzehn Tage lang unentschieden blieb. Dann gelang es Bhima, den schrecklichen Gegner am Fuße zu packen. Wie einen Fangstrick wirbelte er den Hilflosen durch die Luft, bis er mitten entzwei riß. Damit war der Zauber der Hexe gebrochen, der Gewaltige tot. Die gefangenen Könige wurden befreit und versprachen mit den anderen Fürsten Magadhas, zur Huldigung bei Judhischthiras Königsweihopfer zu erscheinen.
Nun sandte der Großkönig seine Brüder nach den vier Weltgegenden aus.
Ardschuna unterwarf den Norden, Bhima den Osten, Nakula und Sahadewa Westen und Süden in gewaltigen Kämpfen.
Mit reichen Geschenken ausgerüstet, folgen die tributpflichtigen Könige Indiens den vier Brüdern vor den Thron Judhischthiras.
Zu Indraprastha waren einstweilen alle Vorbereitungen für das Opfer getroffen worden, und Maya, der dankbare Künstler aus der Geisterwelt, hatte den Königspalast vollendet. Ein Wunder der Baukunst war das geworden:
Auf tausend goldenen Säulen ruhte ein Dach aus erzenen Platten, deren jede ein Bild aus dem Leben der Götter und Helden zeigte. Der Boden der Haupthalle war ein einziger geschliffener Kristall, der wie ein Wasserspiegel glänzte. Kunstvoll geschnittene Edelsteine waren, wie Lotusblumen auf einem Teich, in die Kristallfläche eingefügt. Kostbare Schnitzereien aus Ebenholz und Elfenbein zierten jedes Hausgerät. Seidene Kissen, bunte Teppiche und schöne Stickereien vollendeten die Ausschmückung. Rings um den Palast war ein Garten voll duftender Blumen in allen Farben. Verschwiegene Weiher und abgezirkte Teiche waren angelegt und kühlten mit sprühenden Wasserkünsten die heiße Luft des Südens.
In diesem Wunderwerk Mayas empfing der Großkönig seine erlauchten Gäste und tributpflichtigen Vasallen.
Unter den Geladenen war auch König Durjodhana mit vielen aus dem Hause der Kaurava.
Mit bitterem Neid sah er die voll aufgeblühte Macht der verhaßten Vettern. In Mayas Wunderbau fand er sich kaum zurecht: glaubte sich in der Halle mit dem Kristallboden vor einem Teich und legte, unter dem dröhnenden Lachen Bhimas, die Kleider ab, um zu baden; im Schatten des Gartens fiel er gar in einen der stillen Weiher.
Heißen Haß im Herzen, wohnte er der prunkvollen Opferzeremonie und der feierlichen Huldigung vor dem Großkönig bei.
Die Gäste wurden mit Ehrengaben ausgezeichnet. Die erste sollte, auf Vorschlag des ehrwürdigen Bischma, Krischna bekommen. Schischupala, König von Tschedi, der wilde Feldherr Jarasandhas, bestritt, daß Krischna auf diese Ehre Anspruch hätte. Da berichtete Krischna den versammelten Königen von den Schandtaten, die Schischupala unter Jarasandha vollführt hatte, und als der Tschedier Schmähung auf Schmähung gegen den tapferen Jadava schrie und dessen Mahnung zur Wahrung des gastlichen Friedens als feige verhöhnte, warf der Erzürnte seinen nie fehlenden Diskus und enthauptete so den hämischen Neiding.
Die Gastgeschenke wurden nun verteilt, die Gäste ehrenvoll verabschiedet, die Vasallen huldvoll entlassen.
Als Durjodhana mit seinem Oheim Schakuni auf der Heimreise war, quoll ihm sein Neid über die Lippen.
»Oh!« rief er aus, »wer kann das Leben noch ertragen, wenn er seine Feinde im tollsten Taumel des Glückes sieht! – Nein! was auch daraus werde! nicht länger laß ich ihnen die Freude an ihrem Besitz! Krieg, Oheim! Krieg! Die Pandava sollen ihr Reich verlieren!«
»Ei, mein königlicher Neffe, was soll der Krieg? –
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