Sagen und Märchen Altindiens
Streitwagen vor Ardschuna anhielt. Eine goldene Lotusblume auf blauem Rohr kennzeichnete als Standarte den Kriegswagen des Wolkenspalters. Matali sprang herab und neigte sich ehrfürchtig vor dem Pandavafürsten:
»Indra bittet dich zu Gast, Glückseliger!« sprach er. »Die Götter sollen Kuntis starken Sohn sehen!«
Ardschuna hieß den trefflichen Lenker den Wagen wieder besteigen und die ungeduldigen Rosse zügeln. Dann neigte der fromme Held sich vor dem Geist des Berges Gandhamadana und dankte ihm für die huldvolle Aufnahme. In beredten Worten pries er die Kühle seiner schattigen Haine, das Luft- und Duftmeer seiner sonnigen Triften, die klare Frische seiner Quellen: »Wie ein Kind auf dem Schoße seines Vaters, so weilte ich voll Glück auf deinem Haupte, Fürst der Berge!« sprach er offenen Herzens und hob zum Abschied die gefalteten Hände an die Stirne.
Dann sprang er zu Matali auf den Wagen, und in windschnellem Rosseslauf ging es durch das ewige Blau. Näher und näher kamen sie den Sternen, und Ardschuna sah nun, daß diese kampferschlagene Helden, Büßer und Weise waren, die in strahlendem Glanze zu Tausenden und aber Tausenden durch den Weltraum wandelten. Matali nannte ihm viele mit Namen und sagte, daß sie alle nur kraft ihrer edlen Taten leuchteten und den Erdenkindern wie kleine Sonnen erschienen.
Vor dem Tore der Götterstadt hielt Airawata, Indras schneeweißer Kriegselefant, die ewige Wache. Wie staunte Ardschuna über das vierzähnige Tier, das wie ein Berg an der Straße stand.
Mit jauchzendem Heilruf begrüßten Götter, himmlische Spielleute, Sonnen und Sterne, Nymphen, Windgenien und Morgenrotreiter den edlen Sohn der Kunti. An der großen Sternenheerstraße, unter den ewig blühenden Bäumen, die dem Verlangenden, je nach seinem Wunsche, Früchte aller Art spenden, standen Feen und Geister zu Tausenden und jubelten dem tapferen Indrasproß zu.
Der Götterkönig schritt dem Sohne entgegen, unter dem goldgelben Baldachin, dem uralten Zeichen der Königswürde. Fächer an goldenen Stielen wehten ihm himmlische Düfte zu und die klingenden Weisen der Gandharva erfüllten die Luft mit Wohlklang. Nachdem der Donnerer seinen Sohn umarmt hatte, führte er ihn vor den vielbesungenen Indrathron und ließ ihn an seiner Seite sitzen. Voll Liebe strich die Hand, die sonst den Donnerkeil gegen die Götterfeinde schwang, über die starken Arme des Heldensohnes. Wie Sonne und Mond strahlten die beiden auf dem Thron durch den Himmelsraum.
Götter und Genien brachten dem edlen Geiste Ehrengeschenke, und zu den frohen Weisen der Gandharva tanzten die Apsaras einen anmutigen Reigen: allen voran die ewig junge und schöne Urwasi, die einst als Erdenweib die Gattin eines Bharata gewesen und so eine Ahnfrau des tapferen Pandava war.
Als das Fest zu Ende war, führten die himmlischen Jungfrauen den Gast in Indras Palast. Urwasi, die Schönste von allen, und ihre Führerin, bat den starken Pandusohn unter holdem Erröten, sie zum Weibe zu nehmen. Im Innersten bewegt ob der Lieblichkeit der Götter Jungfrau, gedachte der Wedakundige doch der strengen religiösen Pflicht und mußte die Ahnfrau, die im vollen Zauber ihrer ewigen Jugend vor ihm stand, mit ehrerbietigen Worten zurückweisen.
Schmerzlich zuckte es da um die schönen Lippen der Göttlichen.
»Weh' mir allzu schwachem Weib! und weh' dir allzu starkem Mann!« rief sie. »Mögest du als Frauenwächter dienen und tanzen und springen müssen wie ein Ehrloser für diese Kränkung meines liebevollen Herzens!«
Weinend zog sie sich mit ihren Frauen zurück und überließ die Betreuung des Pflichtenkenners den dienenden Geistern.
Fünf Jahre lang lebte Ardschuna in der Götterstadt Amaravati und übte sich im Gebrauch der göttlichen Zauberwaffen. Sogar den Donnerkeil hatte ihm Indra anvertraut und den kühnen Kuntisohn in der Führung dieses Dämonenschreckens unterwiesen.
Tschitrasena, der Gandhawerkönig und Herr der himmlischen Spielleute, mit dem Ardschuna einst an der Ganga einen harten Strauß bestanden und sodann innige Freundschaft geschlossen hatte, lehrte ihn Lautenschlag und Flötenspiel und den anmutigen Reigen über den Anger führen.
Götter und Genien wurden ihm gute Freunde und liebe Gefährten bei Arbeit, Lust und Spiel wie bei festlichen Somagelagen.
Oft gedachte er seiner Brüder und Frauen, und als er die göttlichen Waffen so sicher führte wie einst seine irdischen, da litt es ihn nicht länger bei den Freuden des
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