Sagen und Märchen Altindiens
verheißen, so zeigte sich der Bittende in seiner wahren Gestalt:
Rothaarig und -bärtig, mit sieben beweglichen Zungen, stand Agni, der schwarzpfadige Feuergott, vor ihnen und schwang in der Rechten sein dräuendes Banner, die schwarzen Schwaden auf sonnenhellem Grund.
»Der Kandavawald ist's allein, was mich sättigen kann!« rief er. »Laßt mich ihn fressen!«
»Nimm ihn, hehrer Beschützer des Hauses!« sprach Ardschuna und umwandelte rechtshin den Erhabenen.
»Ihr müßt mir helfen, Tapferste der Tapferen!« sprach der Gott. »Indra verschlägt mir mit seinen Regengüssen den Atem, sooft ich mich an die Mahlzeit mache, weil sein Freund Takschaka, der König der Nattern, im Walde haust. Und auch andere Götter und Geister verhelfen den waldbewohnenden Tieren zur Flucht und kürzen mein Mahl!«
»Gerne verhülfen wir dir zur Sättigung, leuchtender Burgenzerstörer,« sprach Krischna darauf, »doch unsere Waffen taugen nichts im Kampf mit Himmlischen!«
Da führte sie Agni vor Varuna, den geheimnisvollen Gott der Gewässer, und hat diesen, die beiden tapferen Prinzen mit Götterwaffen aus seiner reichen Schatzkammer zu beschenken.
Varuna schenkte dem Pandava den klingenden Bogen Gandiva, samt zwei unerschöpflichen Köchern, und einen prächtigen Streitwagen. Es war der, auf welchem der Mondgott Soma einst die Dämonen der Luft besiegt hatte. Tausend goldene Möndchen verzierten sein schneeweißes Holz und hundert silberne Schellen erklangen fröhlich bei jedem Schritt der milchweißen Gandhaverhengste. Der himmlische Meisler Wischwakarman hatte das Kunstwerk gebaut.
Die weithin sichtbare Standarte, ein Affe auf einem gekrümmten Löwenschweif, ward später, als Ardschunas Feldzeichen, ein Schrecken seiner Feinde.
Krischna erhielt aus des gütigen Gottes unerschöpflichem Schatz den nie fehlenden Diskus Vadschranabha und die schwere Keule Kaumodaki.
So gerüstet stellten sich die Helden zu beiden Seiten des Waldes auf, und Agni begann ihn zu verzehren.
Fauchend, brüllend, blökend, zischend, heulend und winselnd brachen die Tiere des Kandavahaines durch das Unterholz, um sich zu retten. Doch unaufhörlich schwirrte Gandiva in Ardschunas Hand, Schlag um Schlag traf die Keule Krischnas, und entsetzt flohen die Tiere zurück in den Rachen des sengenden Gottes.
Da donnert Indras Streitwagen über die Erde. Der König der Götter naht, um die Recken im Kampf zu bestehen.
Unnahbar bleiben die Tapferen mit ihren göttlichen Waffen. Steine, Felsen, Berge wälzen sich ihnen entgegen, Waldgeister stürzen aus ihrem brennenden Heim und müssen vor den Unbezwinglichen. wieder zurück in Rauch und Flammen und elenden Tod. Ohne zu wanken stehen die Unvergleichlichen gegen eine Welt des Zaubers.
Da tönt eine Stimme aus den Wolken und überdröhnt den Kampflärm:
»Zurück! Vergeblich ist der Kampf gegen Ardschuna und Krischna, denn sie erfüllen, was Brahma verhängte, den Ratschluß des Schicksals: der Kandavahain muß verbrennen!«
Da beugte sich alles dem Willen der Allmacht, und auch der tapfere Götterkönig stand ab von aussichtslosem Kampf. Fünfzehn Tage lang brannte der Wald, dann war der hungrige Gott gesättigt: Baum und Busch, Gras und Blatt, Wild und Schlange, ja die kleinste Mücke halte er verschlungen. Die Geister, die das alles gehütet hallen, waren verendet vor dem glühenden Atem des Gottes. Nur Maya, der kunstreiche Bildner der Geisterwelt, war dem Verhängnis entronnen. Ardschuna hatte ihn um seiner Kunst willen durchschlüpfen lassen, und der Dankbare versprach, es ihm reichlich zu lohnen.
Und Maya hielt Wort:
Nach wenigen Wochen brachte er auf vielen Wagen seinen Schatz nach Indraprastha gefahren, und nachdem er dem Ardschuna das helltönende Muschelhorn Dewadatta und dem Bhima einen prächtig geschmückten Streitkolben geschenkt hatte, begann er dem König Judhisehthira einen Palast zu erbauen, der alle Bauwerke der Welt an Pracht übertreffen sollte.
Großkönig Judhischthira
Das Geschlecht der Bharata hatte stets alle Fürsten Indiens überragt und der indischen Welt den Herrscher, den Großkönig, den Maharadscha gegeben.
Nun wollte auch Judhischthira, als der älteste regierende König dieses Geschlechtes, die Fürsten Indiens zum großen Königsweihopfer laden und die Zögernden mit Waffengewalt zur Huldigung vor seinen Thron zwingen.
Jarasandha, der König von Magadha, mußte vor allem bezwungen werden. Der war von übermenschlicher Stärke und hielt viele Könige und
Weitere Kostenlose Bücher