Sagen und Märchen Altindiens
Heerfolge zu leisten und zogen in ihre Heimat.
Ardschuna wanderte allein nach dem Himawat und lebte dort in strenger Buße den Göttern nahe.
Vidura kam nach dem Kamjakawald:
Durjodhana und Schakuni hatten neue Pläne geschmiedet, um die Pandava aus der Welt zu schaffen; Karna riet stets zu offenem Überfall, und Dhritaraschtra war, vor Schmerz um den bevorstehenden Untergang seines Hauses, schwächer und wankelmütiger als je. Als er, Vidura, um des Himmels willen zu Friede und Versöhnung geraten habe, war der Blinde zornig geworden, hatte ihn Verräter gescholten und zuletzt aus der Stadt jagen lassen.
Doch Vidura blieb nicht lange im Wald: Bald kam Sandschaja, der Wagenlenker Dhritaraschtras, und brachte den edlen Greis in allen Ehren nach Hastinapura zurück. Dort fielen die Brüder einander in die Arme und versöhnten sich vor allem Volk.
Ardschuna hatte am Fuße des Himawat in strenger Bußübung gelebt und in heißem Gebet und frommem Opferdienst die Gnade der Götter gewonnen.
Als ihn einst in der Wildnis ein großer Eber anrannte, brachte er den Wütenden mit einem guten Bogenschuß zur Strecke. Während der blutigen Arbeit des Ausweidens trat ein riesiger Waldmensch, nur mit einer Wildschur bekleidet, aus dem Dickicht und forderte rauhen Tones den erlegten Eber als seine Beute. Lachend wies Ardschuna ihn zurück. Der Waldmensch drohte, heiße Worte des Streites fielen; dann schwirrte Gandiva, und Pfeil auf Pfeil flog auf den Riesen. Doch Wunder: als wären es Reiskörner gewesen oder Steinchen, von eines Kindes Hand geschleudert, so prallten die leichten und schweren Geschosse des göttlichen Bogens von Haut und Wildschur des Waldmenschen ab. Da griff Ardschuna zum Schwert und sprang den Pfeilfesten an. Er hätte eher den schwersten Amboß spalten können, als seinem Gegner die Haut ritzen. Wie auf Erz geschlagen, schollen die wuchtigen Hiebe durch den Wald. Wütend zischte Ardschuna: »Bist du schuß- und hiebfest, so soll meine Faust dich bezwingen!« Dann sprang er dem Riesen an die Gurgel und suchte ihn zu erwürgen.
Plötzlich fühlte der Pandava sich von eisernen Armen umschlungen. Vergeblich wehrte er sich dagegen, mit all seiner fast übermenschlichen Stärke. Schon ward das Atmen schwerer und schwerer, schon trübte sich sein Blick, heißes Blut würgte durch die Kehle und quoll zwischen den krampfhaft nach Luft schnappenden Kiefern heraus – dann schwanden ihm die Sinne.
Als Ardschuna erwachte, stürzte er sich dem Gewaltigen zu Füßen und verehrte ihn als Gott.
Und da er das Antlitz wieder erhob, stand Schiwa, der allmächtige Gott der Zerstörung, in strahlendem Glanze vor dem Verehrenden und lobte seine Tapferkeit und Stärke. Dann führte er den Kampfmüden vor einen See, voll des Göttertrankes Amrita. Zwei Schlangen tummelten sich darin, und Schiwa hieß Ardschuna, sie fangen. Kühn stürzte sich der vom Kampf mit dem Gott Erschöpfte in die Flut und fühlte seine alte Kraft wiederkehren. Rasch ergriff er die anmutig spielenden Tiere und schwamm ans Ufer. Schiwa war verschwunden, doch die Schlangen wurden vor seinen Augen zu Pfeil und Bogen. Er hielt die berühmte Schiwawaffe, Paschupata, in Händen.
Aus dem Walde aber schritten die vier Welthüter und beschenkten den tapferen Bharatasproß mit Zauberwaffen aller Art: Yama, der Todesgott, gab ihm den alles durchdringenden Stab, Varuna, der Herr der Gewässer, die starken Fangstricke, und Kubera, der göttliche Schatzhüter, die Waffe Anthardana, die ihren Träger unsichtbar macht und ihm Kraft und Stärke verleiht. Indra, der Götterkönig, lud ihn nach seiner himmlischen Stadt Amaravati ein, um ihn dort im Gebrauch der Zauberwaffen zu unterweisen.
Nachdem die Welthüter verschwunden waren, stieg Ardschuna die steilen Hänge des Gandhamadana hinan, um der Einladung seines göttlichen Vaters zu folgen.
Auf dem Gipfel reinigte er seine Seele durch Buße und gedachte im Gebet der Götter und Ahnen.
Auf der von der Mittagssonne vergoldeten Höhe stand der fromme Held und hob die starken Arme ins endlose Blau. In unendlicher Ferne glaubte er ein kleines Wölkchen zu sehen. Das flog heran, wie vom Sturmwind getragen, und wuchs über den halben Himmel hin. Es waren zehntausend Falben, die Indras Streitwagen zogen. Im weiten Luftmeer wogten Licht und Schatten und glitzernde Goldsäume durcheinander und jagten lautlos daher. Rasselnd berührten die erzenen Radschienen den Boden, als Matali, Indras Wagenlenker und Bote, den prächtigen
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