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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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    Der kaltblütige Krischna warf in diese Stille der Bewegtheit die Frage: »Seit wann weint Bhima, wenn es zur Rache geht?«
    Da sprang der Unbändige beschämt auf und ballte die Faust: »Bei Indra!« rief er. »Du sprichst zur rechten Zeit! Fast hätt' ich mich verloren vor dem Elend, das der König des Rechtes geschildert hat. Genug! Auf, Judhischthira, führ' uns nach dem Kurufeld! Die Waffen schützen dein Recht, wo die Worte versagen!«
    »Bedenkt!« sprach Judhischthira ernst, »es ist das Blut der Bharata, das fließen soll! – Noch einmal will ich den Frieden suchen: mag Durjodhana des Reiches Krone tragen, doch um des Rechtes willen soll er uns nur fünf Dörflein geben; fünf kleine Dörfer für die Söhne des Großkönigs!«
    Da sprang Draupadi in den Kreis der Männer.
    »Pfui!« rief sie, »spricht so mein stolzer Gemahl? – Feigling! Bald gefüllt ist eine seichte Pfütze, leicht zu füllen die Faust einer Maus, doch die Tatze des Löwen schlägt nach dem Herzen! Bald befriedigt ist der Feigling, mit Kleinstem schon begnügt er sich.
    Erbarmen und Gerechtigkeit sind des Kriegers Tugenden nicht! Flammt auf und brennt, stolze Herzen, im Haß! Besser leuchten und verbrennen, als eine Ewigkeit qualmen im Dunkeln! Von dessen Taten die Menschheit nicht Wunder erzählt, der hat den Haufen gemehrt, doch niemals gelebt! Zum Kampf! Gedenkt eurer Racheschwüre!«
    »Auf, auf!« jubelte Ardschuna. »Mein Schwert tanzt in der Scheide! – Will Durjodhana den Krieg, wohlan – mein Bogen gähnt!«
    »Ja, auf!« brüllte Bhima. »Hat der Kuru Durst nach dem Tod, so mag er den im eigenen Blute löschen. Ich will über sie kommen: Eh' tritt der Ozean aus seinen Ufern, Berge sollten eher spalten, eh' ich meinen Eid vergesse! Wehe Duchschasana!«
    »Wehe! wehe!« dröhnte es durch den Waffenlärm.
    Judhischthiras stolze Handbewegung gebot Ruhe:
    »Euch geziemt, den Kampf zu lieben, mir, das Recht und den Frieden zu schirmen!
    Es bleibt bei meinem Königswort! Du, Krischna, kluger Freund, sollst nach Hastinapura eilen. Führ' unsere Sache mit all deiner Weisheit! – Fünf Dörflein, sie bewahren den Frieden und schützen das Recht!«
    Schweigend schritten die Helden auf einen Wink des Königs aus der Halle. Krischna bestieg seinen Wagen und fuhr nach Hastinapura.
    Am Hofe Dhritaraschtras wurde der edle Gesandte mit allen Ehren empfangen. Der alte und der junge König boten ihm ihre Gastfreundschaft an, doch Krischna lehnte sie dankend ab und bezog das Haus des gütigen und weisen Vidura, in welchem auch die greise Mutter der Pandava, die edle Kunti, ihr seit der Verbannung der tapferen Söhne so trauriges Dasein verbrachte.
    Am nächsten Morgen trat Krischna vor die Versammlung der Kurufürsten, sprach in beredten Worten vom Elend der Pandava bei all ihrem Adel, pries ihre Geduld bei all ihrer Kraft, ihre Mäßigkeit im Fordern bei all ihrem Recht, und verlangte von Durjodhana die friedliche Abtretung des halben Reiches mit der Hauptstadt Indraprastha.
    Alle, die es mit dem Kuruvolk ehrlich meinten, lobten die weise Mäßigung der einst so schwer gekränkten Pandusöhne. Vor allem die Alten! Bhischma, Drona und Kripa reichten dem klugen Gesandten die Hand und unterstützten seine Worte mit friedfertigen Reden, versönlichen Vorschlägen und ahnungsvollen Warnungen vor dem Bruderkrieg.
    König Durjodhana hatte einstweilen mit seinen Getreuesten gesprochen.
    Karna hatte zum Kriege geraten, um seiner Freude am Kampf, um seiner Hoffnung auf Rache willen. Der schlaue Oheim. Schakuni, der wüste Bruder Duchschasana, pochten auf den starken Anhang, den der Machthaber immer finden kann. Sie freuten sich, alle die Demütigungen der Pandava durch einen Sieg in offener Schlacht zu krönen. Durjadhanos Habgier hieß ihn einen Weg meiden, der zu einer Verminderung seiner Habe, seiner Macht führte. –
    Er sprang auf und rief in das Durcheinander der Stimmen:
    »Schweigt! – schweigt mir von einem Frieden, der erhandelt werden müßte, wie ein Stück Vieh!
    Judhischthira spielt vor aller Welt den, der um des Rechtes willen leidet. Er heuchelt, um mich gefahrlos zu berauben.
    Kennt ihr die Fabel von dem gefräßigen Kater, dem kein Tierlein mehr über den Weg traute: Halb verhungert, spielt er den Büßer und Asketen, stand mit zum Himmel erhobenen Pfoten am Ufer der heiligen Ganga und schrie seine Gottesfürchtigkeit in alle Welt. Da kamen die harmlosen Tierlein, die Mäuse und Vögel, und baten ihn, ihnen doch von seiner

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