Sagen und Märchen Altindiens
Jünglings Banner, als Erlösung auf.
Die beiden Häupter der feindlichen Häuser waren in großer Sorge:
Judhischthira sah, wie die Pfeile des greisen Ahnherrn seine Scharen lichteten, und Durjodhana mußte Brüder und Freunde unter den Waffen der starken Pandusöhne hinsinken sehen.
In seinem Zelte saß grollend Karna, der einzige, der, wie Bhischma, die starken Vettern im Kampf bestehen konnte.
Da ließ der Kurukönig sich mit den Zeichen seiner Würde schmücken: das Diadem schlang er um den Turban, hüllte sich in die Prachtgewänder und zog die seidenen Schuhe an. Kämmerer hielten den gelben Seidenschirm über sein Haupt, andere schwangen die mächtigen Pfauenwedel. So schritt er zum Zelt seines zürnenden Freundes.
Voll Freude über diese Ehrung empfing Karna den König und führte ihn an den Ehrensitz.
»Hilf mir, tapferer König von Anga, du mein getreuer Freund!« begann Durjodhana. »Schwer zwar lastet Bhischmas eiserne Faust auf dem Heere des Gegners, aber der sieghafte Recke meidet die schrecklichsten meiner Feinde.
Er, der unnahbare Gangasohn, der einzige, der neben dir, göttlicher Karna, den Gandivaspanner und den furchtbaren Bhima bezwingen könnte, er liebt die Verräter noch als seines Blutes!
Ha! Fluch den Elenden! – Soll ich König sein über ein paar hundert Sklaven und Bauern? – Denn Brüder und Freunde morden sie mir hin, wenn nicht dein starker Arm ihnen Halt gebietet. – Hilf mir, tapferer König von Anga!«
»Gerne, großmächtiger König und Herr!« sprach Karna, »gerne! – Ich lebe nur noch für den Tag, der mir Ardschuna in blutiger Schlacht gegenüberstellt. Ich hab' es geschworen: Einer von uns soll sterben in dieser Schlacht! Und du weißt: Karna hält Wort! –
Darum muß ich dich bitten, Bhischma einen Tag lang vom Schlachtfelde fern zu halten, denn ich habe gelobt, nie mit ihm gleichzeitig zu fechten!«
»Ich will ihn bitten, morgen zu ruhen! – Töte du Ardschuna, und ich will den starken Bhima bestehen!« erwiderte Durjodhana und erhob sich, um Bhischma in seinem Zelte aufzusuchen, denn die Nacht lag schon über der Erde und hatte dem Kampfe Einhalt geboten.
Bhischma hörte die Bitte des Königs an und wies sie zurück.
»Geh' König!« sprach er, »ich weiß, warum ich ruhen soll, aber ich will morgen eine Schlacht schlagen, daß man durch alle Zeiten davon singen wird!
Keinen will ich verschonen! Hörst du mich? – Keinen! – nur den Schikhandin! – Denn die Seele Ambas lebt in dem Mann, der als Weib geboren ward! – Ich kämpfe gegen kein Weib! – Aber du sollst mich nicht noch einmal an die Pflichten des Kriegers mahnen müssen. – Geh'!«
Der König verließ das Zelt und sandte einen Boten zu Karna.
Bhischma aber wälzte sich schlaflos auf seinem Lager:
»Schwer ist mein Schicksal!« so dachte er. »Drei Geschlechter sah ich erwachsen und sterben, und ich trug meine Waffen vor ihnen in Ehren! – Keiner könnt' mich besiegen, keiner kann mich besiegen. – Ach, sie wird mir zuviel, die sieghafte Kraft, da ich die tapferen Enkel, den Stolz meines Hauses, nun töten soll!
Erlöse mich, Yama, schweigsamer Völkerversammler! – Des Sieges hab' ich genug und des Lebens!«
Im Lager der Pandava saßen Krischna und Ardschuna bei dem König im Zelt und hörten schweigend seine Klagen an:
»Hätt' ich doch nie euren kriegslüsternen Reden gelauscht! – Ich, der ruhig denkende Mann, der seinen Ruhm nicht in tollem Dreinschlagen sucht wie der unbändige Bhima, sondern in Gerechtigkeit und wahrer Weisheit, ich – ich hätte ihn kennen müssen – den unbezwinglichen Gangasohn – den seine Treue vor den Thron zu Hastinapura gestellt hat. Was nützt die Tapferkeit der Brüder und Freunde! Der greise Held allein hat schon mein halbes Heer erschlagen. – Geht doch! Wer kann den besiegen, in dem die acht Wasugötter leben!
Beugen wir uns vor Durjodhana, und beschließen wir unser Leben im Wald – ich habe alle Hoffnung verloren!«
»Mut, König!« rief Krischna. »Auch Bhischma ist nicht unbesieglich! Wenn er auch aller Kraft widersteht, vielleicht erliegt er der List! – Kraft und List sind die redlichen Helfer des Kriegers!
Oh, ich kenne den Gangasohn! – Sieht er den Schikhandin kommen – so senkt er, freundlich lächelnd, die Waffen! –
Darauf baue ich meinen Plan!
Komm, Ardschuna, zur Ruhe! – Morgen wollen wir den Unbezwinglichen bezwingen.
Schweigend verließ Ardschuna mit dem Freunde des Königs Zelt, und Judhischthira blieb, reicher
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