Sagen und Märchen Altindiens
an Hoffnung, zurück: er kannte die Klugheit des listenreichen Jadavafürsten!
Mit Bhischinas Fall hoffte er den schrecklichen Krieg zu Ende, und seine weise und gerechte Regierung sollte die Wunden, die dem Land und dem Volk hier geschlagen wurden, bald wieder heilen.
Karna hatte Durjodhanas Botschaft, die ihn wieder zur Untätigkeit verdammte, voll Unmut vernommen und sich grollend auf sein Lager geworfen.
Heiß brannte in seiner trotzigen Seele die Sehnsucht nach der Stunde, in der er der stolzen Draupadi beweisen konnte, daß sie den besseren Mann verschmäht hatte. Knirschend biß er die Zähne zusammen im Gedanken an das göttliche Weib, das ihm – ihm allein – zukam, denn keiner hatte damals die Aufgabe lösen können, die seinen Riesenkräften, seinem Adlerauge ein Spiel war! – Keiner – auch Ardschuna nicht! – Nur die Laune eines Weiberherzens konnte ihn küren!
Oh, wie hätte er die Schwarzlockige mit den Lotusaugen geliebt – sie gehütet vor jedem rauhen Wind – ihr die ganze Erde zu Füßen gelegt – und nun –
Langsam schloß die Ermattung, die dem Wiedererwachen des bitteren Schmerzes gefolgt war, dem Heftigen die Augen zu ruhigem Schlaf.
Und er sah im Traume sein Zelt in hellstem Lichte glänzen: der tausendstrahlige Gott stand vor seinem Sohn.
Warnend sprach der Unsterbliche zu dem Krieger, der voll Ehrfurcht die gefalteten Hände in geheiligtem Gruß zur Stirne erhob: »Tapferer, hör' auf die Worte des Allessehenden: Indra fürchtet für das Leben seines Sohnes! Er will ihm helfen gegen den Einzigen, der dem Helden gefährlich ist. Hüte dich! – Er weiß, daß du keinem Brahmanen seine Bitte abschlägst, wenn sie zur Stunde deines täglichen Sonnenopfers gestellt wird. Hüte dich! – Indra wird als Brahmane kommen, wenn du bei der Andacht bist – er wird den goldenen Panzer und die Ringe erlisten, die Gottesgaben, mit denen du geboren bist und die dich unverwundbar machen!
Verweigre ihm die Gabe, sonst ist dein Leben in Gefahr!«
»Ich kann die Bitte nicht abschlagen!« antwortete Karna. »Ein Gelübde bindet mich: forderte der Brahmane auch mein Leben, ich würde es willig hingeben, denn das Heiligste ist eines Mannes Wort!«
»Du sollst nicht sterben, mein tapferer Sohn!« klagte der Tausendstrahlige. »Du bist noch so jung.«
»Besser jung und in Ehren sterben, als ruhmlos zu altern!« sprach Karna.
»Mein edler Sohn!« rief Surya.
»Doch höre meinen letzten Rat! Biete dem Brahmanen, der deine Brünne fordert, Schätze und Ehren, ein gehäuftes Maß! Läßt er nicht von seiner Forderung – um seines Sohnes willen – so gewähr' ihm die Bitte – um deines Wortes willen! Aber fordere als Gegengabe den Speer, der niemals sein Ziel verfehlt!«
Damit verschwand Surya, und als Karna erwachte, spielten die ersten Strahlen der Morgensonne durch den Zelteingang.
Um die Mittagsstunde, als der fromme Held seine Sonnenandacht verrichtete, stand ein ehrwürdiger Brahmane vor ihm und bat den sich Neigenden um den Panzer und die goldenen Ohrringe.
Karna lächelte freundlich und sprach:
»Ich höre deine Bitte, ehrwürdiger Muni, und will sie dir gewähren! Doch wenn es dir nur um das Gold der edlen Stücke ist, so will ich dir Schätze aufhäufen lassen, die hundertmal soviel wert sind. Was soll ein Büßer wie du mit dem Panzer? Und mir, der ich von den Göttern zum Krieger bestimmt ward, mir ist er angeboren, ja angewachsen!«
»Gib mir den Panzer, frommer Held!« sprach der Büßer, »wenn anders du nicht dein Gelübde brechen willst!«
»Ich kenne dich, König der Götter!« sprach Karna und umwandelte den Ehrwürdigen rechtshin. »Ich gebe dir Panzer und Ringe, doch gib mir dafür die Lanze, die niemals ihr Ziel verfehlt!«
»Du sollst sie haben, tapferer Karna!« sprach der Brahmane. »Aber wisse, die Waffe kehrt nach dem Wurf in meine Hand zurück. Der eine, nach dem du sie wirfst, ist sicher des Todes – aber der eine nur!«
Darauf schnitt Karna, ohne mit der Wimper zu zucken, den Panzer von seinem Leib und reichte ihn samt dem strahlenden Ohrgehäng dem Brahmanen. Dieser gab ihm den Stock, an welchem die Priester stets ihr Weihwassergefäß tragen, und der ward in der Hand des Kriegers zu Indras niefehlender Lanze. Der Gott aber war vor den Augen des Sterblichen verschwunden.
Unterdessen tobte auf dem Kurukschetra die Schlacht:
Bhischma wirkte wahre Wunder an Tapferkeit. Hunderte und Tausende warfen sich dem Heldengreis entgegen, aber ohne zu ermüden, stand
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