Sagen und Märchen Altindiens
der Alte viele Stunden im Getümmel. Was seinen Pfeilen entging, fiel unter seinen Speeren oder unter den Schlägen seines gewaltigen Krummschwertes. Den starken Tschitrasena, dem es gelungen war, ihm bis auf den Leib zu rücken, zwang er mit Schlägen seines schweren Bogens zur eiligen Flucht, unter dem Hohngelächter der Krieger. Schatanika, den Bruder Viratas, enthauptete er mit einem Bogenschuß. Den wüsten Durchschasana brachte sein Streitwagen vor den Pfeilen Ardschunas in Sicherheit.
Nur wo Schikhandins Banner wehte, da senkte der
Unbezwingliche die Waffen und ließ den Pfeilschauer über sich ergehen wie einen milden Frühlingsregen. Sein starker Panzer widerstand den Schüssen des Schwächlings leicht.
Neben Bhischma kämpfte Bhurischrawas, der Sohn Somadattas. Wie ein Löwe in ein Rudel Hirsche, war er in einen Heerhaufen der Somakha gebrochen und hatte in blitzschnellem Kampf diese tapferen Bundesgenossen der Pandava zersprengt und zehn Söhne ihres Fürsten Jujudhana erschlagen.
Doch nun nahte der gewaltige Vater und Fürst der Gefallenen.
In stummem Schmerz hob er den Bogen und sandte Pfeil auf Pfeil nach dem grimmigen Mörder seiner Söhne.
Bhurischrawas schoß zurück und rief über das Kampffeld hin:
»Habe ich dich endlich vor meinen Waffen, starker Somakha! Heut' will ich die Weiber derer erfreun, die du vordem erschlagen hast, du Tapferer!«
»Prahle nicht wie die Donnerwolke im Herbst, sondern kämpfe!« rief der Somakha.
Da schon zwei seiner Pferde gefallen waren, sprang er vom Wagen und warf den Speer nach dem Gespann Bhurischrawas. Auch dieser verließ seinen Wagen, und mit den Schwertern stürzten die Recken aufeinander los.
Im Zorn des Kampfes standen sie plötzlich Leib an Leib, warfen Schilder und Schwerter zu Boden und packten einander in wütendem Ringen.
Lange stampften die Helden die Erde, denn sie waren von gleicher Kraft und Gewandtheit. Da stolperte Jujudhana über Bhurischrawas' Schwert und fiel zu Boden. Wie der Tiger auf den niedergerissenen Büffel, warf sich Bhurischrawas auf den Wehrlosen. Jetzt tastete er mit der Rechten nach dem weggeworfenen Schwert – ergriff es – die Linke faßte das Haar des Gegners – ein Blitzen ging durch die Luft – aber nicht das Haupt des Jujudhana rollte in den Staub, sondern der Schwertarm Bhurischrawas'.
Ardschuna hatte den Freund im letzten Augenblick gerettet – ein Halbmondeisen, von Gandivas Sehne geschnellt, den toddrohenden Arm vom Rumpfe geschnitten.
Taumelnd stand der Wunde auf.
»Pfui, Ardschuna!« rief er. »Hat der schlaue Krischna deine adligen Sitten schon so verdorben, daß du dich in einen Zweikampf mischst?«
»Im Schlachtgetümmel gelten die Regeln des Zweikampfes nicht!« rief Ardschuna finster. »Auch dir hat manches im Kampfe geholfen: nicht deine Stärke hat Jujudhana zu Fall gebracht, sondern das Schwert am Boden; nicht dein Mut hat ihn überwältigt, es war der Schmerz um die gefallenen Söhne –«
»Ha! welch' Bild rufst du vor meine Seele!« schrie Jujudhana, riß sein Schwert von der Erde empor und schlug mit gewaltigem Streiche das Haupt Bhurischrawas' vom Rumpfe.
»Pfui, pfui!« scholl es rings im Kreise.
Aber der Somakhafürst lachte wie ein Irrer und schrie: »Sie sind gerächt!« Dann sprang er auf einen der Wagen und fuhr vom Kampfplatz.
Krischna schwang den Stab mit dem goldenen Treibstachel und rief:
»Jetzt hinter Schikhandins Wagen gegen den Unbezwinglichen!«
»Noch bin ich nicht entschlossen!« sprach Ardschuna und deutete mit der Hand gegen die langsam sinkende Sonne. »Hörst du dort Bhimas Schlachtschrei, der das Trompeten eines wunden Elefanten übertönt? – Dorthin laßt uns eilen!«
Schweigend gehorchte Krischna, und in schnellem Rosseslauf flog der Wagen gegen Westen über das Blachfeld.
Dort hatte Bhima den König der Javana, den kühnen Bhagadatta, angegriffen. Bhagadatta war weit und breit als Elefantenkämpfer gefürchtet. Er ritt eines der mächtigen Tiere aus seinen heimatlichen Bergen, und der Koloß, der in seinem goldschimmernden Kopf- und Brustpanzer dem Aïrawata Indras glich, gehorchte dem edelsteingeschmückten Treibstachel seines Herrn wie ein gutgerittenes Roß.
Bhima überschüttete ihn mit Pfeilen, aber das trefflich abgerichtete Tier stand im Hagel der Geschosse ruhig, den Rüssel unter den Kopfpanzer gezogen, als fielen nur Sonnenstrahlen auf die schimmernde Wehr.
Da rief Bhima mit gellendem Ruf den König der Dascharna, Kschattradewa. der seinem
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