Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Standpunkt vertreten, der jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.«
»Das wollen wir erst einmal sehen. Nennen Sie mir zehn Komponisten, deren Nachname mit B beginnt.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Tun Sie mir bitte den Gefallen.«
»Na schön. Bach … Beethoven … Brahms … Bizet … Bartók … Berlioz … Bernstein … Boccherini … Barbieri … Bruckner …«
»Sehr gut«, lobte der Architekt. »Und jetzt versuchen Sie dasselbe mit einem anderen Anfangsbuchstaben.«
»Irgendeiner?«
»Ja. Wie wäre es mit C?«
»Da wüsste ich keinen«, gab Munárriz nach einigem Nachdenken zu.
»Dann probieren Sie es mit noch einem anderen. Vielleicht mit H.«
»Haydn … Händel …« Mehr fielen ihm nicht ein. »Auf dem Gebiet der klassischen Musik bin ich nicht besonders bewandert«, versuchte er sich zu entschuldigen.
»Das hat damit nichts zu tun«, beruhigte ihn der Architekt. »Es verhält sich einfach so, dass die Träger von Namen, die mit B beginnen, aufgrund eines eigenartigen Gesetzes für das Komponieren besonders begabt sind.«
»Das ist keine zwingende Erklärung.«
»Ich kann Ihnen das gern mittels der Statistik auf wissenschaftliche Weise nachweisen«, hielt Grau dagegen. »Sie haben es gerade selbst demonstriert, denn Sie konnten mir mühelos zehn Komponisten aufzählen, deren Name mit B beginnt, aber nur zwei mit einem anderen Anfangsbuchstaben. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass deren Zahl sehr viel geringer ist.«
»Möglicherweise haben Sie Recht.«
»Nehmen Sie ein beliebiges enzyklopädisches Lexikon und zählen Sie unter jedem Anfangsbuchstaben die Komponisten zusammen«, forderte er ihn auf. »Sie werden unter B besonders viele finden, unter den anderen Buchstaben hingegen eine deutlich geringere Zahl.«
»Können Sie etwa noch mehr mit B nennen?«, fragte ihn Munárriz, um die Theorie des Architekten auf die Probe zu stellen.
»Selbstverständlich«, sagte dieser: »Baban, Bacfart, Barranqué, Barber, Becerra, Bellini, Benguerel, Bernaola, Blancafort, Borodin … Soll ich weitermachen?«
»Nein danke. Ich denke, das genügt.«
»Das Geschick von uns Menschen wird durch ein eigentümliches Gesetz bestimmt«, blieb Grau bei seiner Theorie. »Das liegt, wie Sie selbst sehen können, auf der Hand.«
»Und aufgrund dieses Gesetzes ist Gaudí Ihrer Ansicht nach auserwählt worden?«, fragte Munárriz.
»Dessen bin ich hundertprozentig sicher. Dafür gibt es im Übrigen zahlreiche Hinweise«, begann der Architekt, dem daran lag, ihn zu überzeugen. »Sein ganzes Leben hindurch hat eine unsichtbare Hand seine Schritte gelenkt.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Schon bei seiner Geburt haben wir es mit einer magischen Zahl zu tun, denn er ist als fünftes Kind der Eheleute Francisco Gaudí und Antonia Cornet zur Welt gekommen. Drei Monate vor seiner Geburt starben seine fünfjährige Schwester María und sein zweijähriger Bruder Francisco. Die Addition der Lebensjahre beider ergibt die Zahl Sieben. Das ist die magische Zahl der alchemistischen Umwandlung, denn die Zahl der Urgestirne wie auch die der ersten Götter betrug jeweils sieben. Sie können deutlich sehen, dass hier die Drei, die Zahl der Weisheit, und die Fünf zusammenwirken, wobei letztere sein Meisterwerk kennzeichnet, die Sagrada Familia . Später litt er an einer Lungeninfektion, einer rheumatischen Arthritis, und die Ärzte sagten seinen Tod voraus, doch er überlebte.«
»Und zwar, wie Sie meinen, dank einer Art metaphysischen Schutzes?«
»Ich verstehe, dass es Ihnen schwerfällt, das zu glauben«, räumte Grau ein, »aber Sie sollten die Fakten offenen Sinnes und unvoreingenommen zur Kenntnis nehmen.«
»Das tue ich, obwohl ich Atheist bin.«
»Außerdem wäre da noch seine Abstammung«, fuhr Grau fort.
»Er ist Abkömmling einer katalanischen Familie.«
»Aber nein, nicht von ferne«, wies der Architekt das zurück. »Die Gaudís sind aus der Auvergne zugewandert.«
»Aber der Name Gaudí ist das katalanische Wort für das spanische Verb ›gozar‹, also ›genießen, sich erfreuen‹.«
»Da haben wir einen weiteren Hinweis«, griff Grau diese Bemerkung sogleich auf. »Ursprünglich war ›gozar‹ ein Synonym für ›conocer‹, also ›wissen‹ oder ›kennen‹, und die Theologie spricht bei ›gozo‹ von einer Frucht des Heiligen Geistes. Den Beleg dafür finden Sie im Galaterbrief des Apostels Paulus. Und denken Sie nur«, fuhr er mit besonderem Nachdruck fort, um Munárriz’
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