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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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das, sondern auch auf die Gedanken jener Epoche«, hob Grau hervor. »Gaudí war ein Kind der katalanischen Romantik, die eine Rückkehr zur Spiritualität des Mittelalters forderte. Entscheidend dazu beigetragen haben die Vorstellungen von Elías Rogent, der das Kloster von Ripoll und die Königskapelle von Santa Águeda in diesem Sinne restauriert hat. Der englische Autor und Kunstkritiker John Ruskin rief zur Rückbesinnung auf die im 13. Jahrhundert entstandene Gotik des Nordens auf. Er sah Kunst und Schönheit als eine Art Thermometer an, mit dem sich der geistige Gesundheitszustand einer Gesellschaft messen lässt. Ein ähnliches Ziel verfolgte der berühmte französische Architekt Viollet-le-Duc, der die Kirchen von Vézelay, Saint Denis, Saint Sernin in Toulouse wie auch die Kathedralen Notre Dame in Paris, Chartres, Carcassonne, Amiens und Reims restauriert hat.«
    »Gaudí hat sich mit Viollet-le-Duc beschäftigt?«
    »Es dürfte kaum übertrieben sein, wenn ich sage, dass er ihn förmlich vergöttert hat«, versicherte ihm Grau. »Die Menschen, die auf dem Gebiet der Kunst einen Weg zurück ins Mittelalter suchten, betrachteten dessen Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XI. au XVI. siècle , in dem er die Forderung aufstellte, man müsse die Bauwerke des Mittelalters gründlich analysieren, gleichsam als ihre Bibel. Gaudí kannte dies Werk nicht nur, er ist sogar nach Carcassonne gereist, um an Ort und Stelle die von diesem französischen Baumeister geleiteten Arbeiten zur Restaurierung der Altstadt zu studieren. Dabei hat er sich von allem, was er da sah, so überwältigt gezeigt, dass ihn die Bewohner der Stadt mit Viollet-le-Duc verwechselten.«
    »In der Handbibliothek der Person, von der diese Fotos stammen, fanden sich mehrere Bücher von Viollet-le-Duc«, teilte ihm Munárriz mit.
    »Das wundert mich nicht im Geringsten! Wer Gaudís Werk bis in die tiefsten Verästelungen erfassen will, muss Viollet-le-Duc kennen, dessen Verbindung zu den Templern in seinen Schriften deutlich zutage tritt. Ausgangspunkt der gotischen Architektur war die Geometrie sowie die mystische Zahlenlehre des Mittelalters, und auf dieser Grundlage fußten auch Sterndeutung und Alchemie. Im Mittelalter geschah nichts zufällig, alles hatte einen Sinn. Für alles steht ein Symbol, hinter dem sich das hermetische Wissen verbirgt. Aus diesem Grund haben sich Viollet-le-Duc wie auch Gaudí mit der Geometrie beschäftigt. Gaudís Biographen erklären übereinstimmend, dass er kein besonders guter Schüler war und in manchen Fächern nicht unbedingt glänzte. In einem aber war er überragend.«
    »Vermutlich in Geometrie«, flüsterte Munárriz.
    Grau nickte zustimmend.
    »Außerdem hat er an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Barcelona fünf Jahre lang verschiedene Kurse belegt, darunter solche in Integral- und Differenzialrechnung, aber auch in Chemie, Geographie, Physik, allgemeiner Naturgeschichte, Algebra und Trigonometrie. Im Jahre 1867 hat er sein Studium in Mathematik mit der Note ›vorzüglich‹ abgeschlossen – heute wäre das ›sehr gut‹.«
    »Nehmen wir einmal an, Sie haben Recht mit Ihrer Aussage, dass er die Geheimnisse des Templerordens kannte«, überlegte Munárriz laut. »Dann muss man sich doch fragen, woher er diese Kenntnisse hatte.«
    »Manche Menschen werden von Gottes Finger angerührt«, gab Grau zur Antwort. Es klang nicht so, als ob er scherzte. »Haben Sie schon einmal etwas von der Vorherbestimmung gehört?«
    »Sicher, aber ich glaube nicht daran.«
    »Ganz im Unterschied zu vielen Völkern Asiens«, gab der Architekt zu bedenken. »Sie sind fest davon überzeugt, dass man sein Geschick nicht beeinflussen kann, und so nehmen sie das Leben einfach, wie es kommt.«
    »Unsere aristotelisch geprägte Kultur geht aber von der Voraussetzung aus, dass wir unserem Leben durch unser Wollen und Tun eine bestimmte Richtung geben können«, hielt ihm Munárriz entgegen. »Da nichts von vornherein festgelegt ist, kann der Mensch selbst Einfluss auf sein Geschick nehmen.«
    »Ich will nicht mit Ihnen darüber rechten«, schnitt ihm Grau das Wort ab, »lasse mich aber auf keinen Fall von meiner Meinung abbringen.«
    »Wollen Sie Gaudí als einen Auserwählten hinstellen? Als jemanden, dem es vorherbestimmt war, einen göttlichen Auftrag zu erfüllen?«
    »Und warum nicht?«
    »Ein Mensch Ihres geistigen Kalibers«, sagte Munárriz verblüfft, »kann doch unmöglich einen

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