Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Namen der Stadt Memphis her, nämlich haitkauptah , was so viel bedeutet wie ›Stadt oder Burg der Götter, die Ptah gleich sind‹. Mit diesem Namen wurden auch Ptahs Haupttempel und der Nil bezeichnet.«
»Das ist ja ein entsetzliches Durcheinander«, sagte Munárriz versunken.
»Schon«, bestätigte Grau, »aber all diese Verästelungen führen zu einem gemeinsamen Ursprung. Noch verwirrender wird die Sache dadurch, dass ›Aigyptos‹ der Sohn der Nil-Nymphe Anchinoe und des ägyptischen Königs Belos ist. Als ihm sein Vater die Herrschaft über Arabien übertrug, unterwarf Aigyptos das Reich des Melampus, das einstige Land des Ham, und gab ihm seinen eigenen Namen. Können Sie noch folgen?«
Munárriz nickte.
»Übrigens hatte Aigyptos einen Zwillingsbruder namens Danaos, der über Libyen herrschte …«
»Schon wieder ein Hinweis auf die Zwillinge.«
»Und auf die Alchemie«, hob Grau hervor, »denn der Überlieferung nach haben die Töchter des Danaos die Söhne seines Zwillingsbruders Aigyptos umgebracht. Als dieser von Danaos dessen fünfzig Töchter als Gattinnen für seine fünfzig Söhne forderte, willigte jener zum Schein ein. Er sah darin eine günstige Gelegenheit, sich an seinem Zwillingsbruder dafür zu rächen, dass er ihn aus dem Land vertrieben hatte. Durch das Los wies er jeder seiner Töchter einen von dessen Söhnen zu, richtete ein großes Hochzeitsfest aus und gab jeder der Töchter – die wir, nebenbei bemerkt, als ›Danaiden‹ kennen – einen Dolch mit dem Auftrag, ihren Gemahl zu ermorden. Auf diese Weise kamen sämtliche Söhne des Aigyptos um – bis auf einen, nämlich Lynkeus, den seine Gemahlin Hypermnestra verschonte. Begreifen Sie jetzt, wie wichtig das alchemistische Symbol ist? Ich bin fest davon überzeugt, dass Gaudí die Beziehung gesehen hat.«
»Dann könnten die agotes also ägyptische Steinmetze gewesen sein, die zu einer nicht näher bekannten Zeit nach Europa gekommen sind und sich irgendwann in der Gascogne oder Auvergne niedergelassen haben«, fasste Munárriz Graus Erläuterungen zusammen.
»Das wäre ohne Weiteres möglich. Wie die handwerklich vollkommene Ausführung der ägyptischen Tempel zeigt, verfügten die Pharaonen über erstklassige Steinmetze. Die sogenannte phrygische Mütze kann aus derselben Richtung kommen, denn manche Mittelmeervölker trugen zur Zeit des Pharao Meneptah aus der 19. Dynastie, Sohn und Nachfolger von Ramses II., der bisweilen auch in der Schreibweise Ramneptah erscheint, eine ganz ähnliche Kopfbedeckung. Als diese Völker in Ägypten einfielen, wurden sie von Ramses II. und Meneptah vernichtend geschlagen. Flachreliefs im Tempel von Karnak zeigen entsprechende Szenen. Ursprünglich geht die Kopfbedeckung auf die Ligurer zurück, die an der Mittelmeerküste zwischen der Ebro-Mündung und dem heutigen Genua lebten; sie könnte aber auch von den Sarden stammen, den Ureinwohnern Sardiniens.«
»Haben die agotes in Europa Spuren ihres Wirkens hinterlassen?«
»Sie durften nicht als Steinmetze arbeiten. Ich sagte ja schon, dass das Amt eines Totengräbers die einzige ihnen erlaubte Tätigkeit war. Es ist aber möglich, dass sie entlang des Jakobsweges insgeheim ihrem eigentlichen Handwerk nachgegangen sind, denn in der Stadt Jaca in den Pyrenäen gab es eine recht bekannte Ansiedlung von agotes . Übrigens stellt ein ganz besonderes Merkmal eine Beziehung zwischen ihnen und dem Templerorden her …«
»Welches wäre das?«
»Um auf den ersten Blick kenntlich zu sein, mussten sie auf der Schulter ein dreieckiges Stück roten Stoff tragen, etwa so wie bei uns die Juden aus dem call in Barcelona den Rundschild oder wie die im Dritten Reich den gelben Stern.«
»Wenn ich mich recht entsinne«, unterbrach ihn Munárriz, »hatten die Tempelritter ein aus vier Dreiecken zusammengesetztes rotes Kreuz auf ihrem Umhang.«
»Genau darauf will ich hinaus. An diesem roten Dreieck waren die Bauleute des phönizischen Königs von Tyros kenntlich, die Salomo zum Bau seines Tempels in Jerusalem herangezogen hatte. Überdies diente das Dreieck den Erbauern der Kathedralen als geometrische Grundlage ihrer Konstruktion. Sie können übrigens in der von Gaudí gebauten Krypta der Colonia Güell, die als große Kirche vorgesehen war, aber unvollendet geblieben ist, Hunderte aus diesen Dreiecken zusammengesetzte Kreuze sehen.«
»Das ist mir nie aufgefallen«, sagte Munárriz, während er sich an seine Besuche in der Colonia Güell in der nahe
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