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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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Bewässerungssystem entworfen, damit die Pflanzen stets grün blieben.«
    »Das hätte sicher spektakulär ausgesehen«, sagte Munárriz beeindruckt.
    »Bestimmt. Aber ab 1910 hat er sich wegen der genannten Schwierigkeiten nicht mehr sonderlich um den Bau gekümmert, und so blieb er unvollendet. Auch die der Jungfrau Maria gewidmete Skulpturengruppe, die das Dach hätte bekrönen sollen, wurde nie angebracht. Mit ihrer Herstellung hatte er den Bildhauer Carlos Mani beauftragt, und soweit sich dessen Entwürfen entnehmen lässt, hätte sie die Symbolik des Hauses Milá verstärkt und es in der Tat in eine Art Gebirge verwandelt, einen der Jungfrau Maria würdigen gewaltigen Sockel, die dabei mit der Erdgöttin Gäa gleichgesetzt worden wäre. Mit allen Mitteln hat Gaudí darauf hinzuwirken versucht, dass Pedro Milá diese Figurengruppe anbringen ließ, doch der Mäzen weigerte sich, aus der Befürchtung heraus, damit könne aus seinem Haus ein Bollwerk des christlichen Glaubens werden. Diese Weigerung hing damit zusammen, dass hier in Barcelona erst wenige Monate zuvor Anarchisten im Verlauf der ›Tragischen Woche‹ Brandsätze gegen Kirchen und Klöster geschleudert hatten.«
    »Ich kann mir eine solche Skulpturengruppe auf dem Gebäude überhaupt nicht vorstellen.«
    »Das wäre ein wahres Wunder geworden«, versicherte ihm Grau. »Ein Haus auf einem Grundstück von tausend Quadratmetern, bekrönt von Standbildern der Jungfrau Maria und der beiden Erzengel Michael und Raphael. Maria als Gäa, die ihre Kinder zur Welt gebracht hat, ohne von einem Mann berührt worden zu sein … Überdies«, fuhr er begeistert fort, »sollte die Fassade des Hauses in Anspielung auf die Perlen des Rosenkranzes hundertfünfzig Öffnungen aufweisen sowie eine Anzahl von Skulpturen in Gestalt von Rosen. Auch wenn es damals hieß, sie seien als Huldigung an Pedro Milás Gattin Rosario Segimón aufzufassen, ist die Symbolik doch augenfällig. Alles, was Gaudí geschaffen hat, lässt sich grundsätzlich auf zweierlei Weise deuten. Denken Sie nur an den Park Güell, wo auf dem Hauptweg steinerne Kugeln den heiligen Rosenkranz darstellen, den Gaudí allabendlich betete, bevor er sich schlafen legte …«
    »Sie haben mich überzeugt, Señor Grau«, versicherte Munárriz seinem Gastgeber.
    »Nicht jedes seiner Bauwerke enthält hermetische Botschaften«, sagte Grau, um Missverständnissen vorzubeugen, »und nicht einmal alle Figuren an seinem Meisterwerk, der Sagrada Familia , sind mit einem Symbolgehalt aufgeladen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Sinn für sein spirituelles und künstlerisches Erbe nach seinem Tod verloren gegangen ist.«
    »Sie können sagen, was Sie wollen«, gab Munárriz zurück, »in meinen Augen ist die Passionsfassade ein stilistisches Flickwerk, bei dem einem die Haare zu Berge stehen.«
    »Ja, leider. Eigentlich hätte man nach Gaudís Tod an der Sagrada Familia nicht weiterbauen dürfen, aber die Kirche hat sich nicht daran gehalten, weil sie und ihre Sachwalter nur aufs Geld sehen! Die neuen Bauherren denken nicht im Traum daran, Gaudís Geist am Leben zu erhalten. Haben Sie den Gekreuzigten mit dem quadratischen Gesicht gesehen?«
    Munárriz nickte.
    »Zwischen ihm und den übrigen hyperrealistischen Statuen an der Kirche besteht nicht die geringste Ähnlichkeit«, hob Grau in anklagendem Ton hervor. »Gaudí hat die Anatomie des Menschen vom künstlerischen Standpunkt aus gründlich studiert, um in seinen Skulpturen das Werk des Schöpfers auf den Millimeter genau nachzubilden. Er war geradezu davon besessen, dem Vorbild der göttlichen Schöpfung so nahe wie möglich zu kommen. So hat er beispielsweise menschliche Skelette fotografiert, um sich gründlich mit dem Knochenbau zu beschäftigen. Außerdem hat er darum gebeten, bei Autopsien im Krankenhaus Santa Cruz anwesend sein zu dürfen. So unwahrscheinlich das klingen mag, Gaudí hat sogar Gipsabgüsse von Totgeburten gemacht, um den bethlehemitischen Kindermord so naturgetreu wie nur möglich in Szene zu setzen. Bei der Modellierung der steinernen Bank im Park Güell hat er einen Arbeiter aufgefordert, sich vollständig unbekleidet auf eine vorbereitete Gipsfläche zu setzen, um die vollkommene Form für den Sitz zu bekommen. Inzwischen aber sieht das alles ganz anders aus, und die Symbole sind verschwunden. Irgendein selbsternanntes Genie hat sogar ein magisches Quadrat angebracht …«
    »Das habe ich gesehen.«
    »Daran ist nichts, aber

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