Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Barcelona gelegenen kleinen Ortschaft Santa Coloma de Cervelló zu erinnern versuchte.
»Das will ich gern glauben, denn es sind winzige Terracotta-Dreiecke, die das Templerkreuz bilden«, erläuterte Grau.
»Da muss man also annehmen«, sagte Munárriz verblüfft, »dass die agotes zu einer Zunft mystischer Baumeister gehörten.«
»Genau so ist es. Im Mittelalter gab es verschiedene Zünfte von Bauhandwerkern. Eine von ihnen war die vom Cluniazenserorden für den Bau von Klöstern ins Leben gerufene namens Söhne des Paters Soubise , eine andere die der Söhne Salomos . Zu ihr könnten die agotes gehört haben. Der Glanz, den ihnen die Gotik verdankte, beruhte auf dem Wissen, das die Zisterziensermönche ihnen vermittelt hatten, deren Nüchternheit und Strenge bestimmend für den gotischen Stil wurden. Wegen ihrer Meisterschaft bei der Errichtung solcher sakraler Bauwerke gewährten die Templer den agotes Schutz, bis am Ende die einen wie die anderen verfolgt wurden.«
»Auf diese Weise also«, nahm Munárriz den Faden auf, »sind die agotes mit der hermetischen Lehre der Templer in Berührung gekommen.«
»Ja«, bestätigte Grau. »In dieser Verbindung zum Templerorden könnte auch die Erklärung dafür liegen, warum sich der erste Gaudí auf den Weg nach Katalonien gemacht hat.«
»Weil es hier eine große Zahl von Tempelrittern gab.«
»Sie haben es wieder getroffen«, bestätigte Grau, den es offenkundig freute, dass Munárriz seinen Darlegungen nicht mehr widersprach. »Sie hatten sich schon bald nach der Gründung des Ordens in Katalonien niedergelassen. Ramón Berenguer III. überließ ihnen die Burg von Grañena und trat im Jahre 1130 selbst in den Orden ein, der unter Ramón Berenguer IV. zu höchster Blüte gelangte.«
»Und warum ist der erste Gaudí in den Süden Kataloniens gezogen?«
»Das lässt sich leicht beantworten«, erwiderte Grau. »Weil Tarragona schon bald zum Hauptstützpunkt des Templerordens wurde und auch die wichtigsten Zisterzienserklöster in jenem Teil des Landes lagen. Ansiedlungen von Templern gab es in Tortosa, Miravet, Ascó, Vallfogona de Riucorb, Barberá de la Conca, Torroja del Priorato. Hinzu kamen Klöster wie Scala Dei, Poblet, Santes Creus …«
»Hat er dort Zuflucht gesucht?«, unterbrach Munárriz seine Aufzählung.
»Das wäre denkbar. Ebenso ist es aber auch möglich, dass er einfach in der Nähe seiner Wohltäter, der Templer, Arbeit als Steinmetz gesucht hat, nachdem er die Auvergne wegen der Wirren des Hundertjährigen Krieges hatte verlassen müssen.«
»So eine Art politisches Asyl?«
Grau nickte. »In Tarragona wäre jeder agote in Sicherheit gewesen. Die Burg von Barberá de la Conca in der Nähe von Montblanc, in der sich eine Kommende oder Komturei der Templer befand, diente den Zisterzienserklöstern von Santes Creus, Poblet und Vallbona de les Monges als Verteidigungsbollwerk.«
»Ich verstehe.«
»In diesem Zusammenhang wird eine sonderbare Geschichte berichtet«, fuhr Grau fort. »Im 16. Jahrhundert hat sich ein Mönch namens Luis Pascual Gaudí aus Vilafranca del Penedés, der in Sardinien Theologie gelehrt hatte, in das Kartäuserkloster von Scala Dei zurückgezogen.«
»Und was ist daran sonderbar?«
»Dieses Kloster«, erläuterte der Architekt, »wurde im 12. Jahrhundert im Herzen des Montsant, des ›Heiligen Berges‹, erbaut, also an einer der Stellen, an denen man den Gral vermutete.«
»Noch ein Gaudí mit einem geheimen Auftrag?«
Grau nickte bestätigend.
»Die Klosterbibliothek von Scala Dei war eine der umfangreichsten im ganzen Land. Dort wurde die kostbare elfbändige Bibel des Infanten Don Juan aufbewahrt, und dort studierten Alchemisten wie Arnaldo de Vilanova, dem vor den Augen der römischen Kurie eine Element-Umwandlung gelang, sowie der Mystiker Juan Fort, der mit einem Christusbild in der Kirche von Torroja Gespräche führte.«
»Glauben Sie, dass Antonio Gaudí imstande war, solche Umwandlungen durchzuführen?«
»Dazu kann ich nichts sagen«, räumte Grau ein. »Doch alles weist darauf hin. Den Bau der Sagrada Familia haben Spenden der Gläubigen ermöglicht. Sie blieben bisweilen aus oder waren so dürftig, dass sie nicht ausreichten, die Arbeiten fortzusetzen. Genau zu einer Zeit, als man kurz davorstand, den Bau einzustellen, weil die Mittel zur Weiterführung fehlten, ging eine beträchtliche anonyme Spende ein, die das Unternehmen rettete.«
»Und Sie führen diesen unerwarteten Geldzufluss auf eine
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