Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
Vom Netzwerk:
lassen sich zwar viele junge Leute tätowieren«, erläuterte er, »aber die Zahl der Motive, für die sie sich interessieren, ist stark beschränkt. Die wollen Herzen, arabische, chinesische oder japanische Schriftzeichen, Phantasietiere, vor allem Drachen, manchmal auch Stammeszeichen … kurz«, fasste er zusammen, »lauter Motive, die sich leicht stechen lassen und verglichen mit dem da so gut wie nichts kosten.«
    »Eine komplizierte Sache …«
    »Ja«, gab er voller Respekt vor dem unbekannten Meister zu. »Könner, die so was zustande bringen, lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Erstens«, erläuterte er, »ist dafür eine örtliche Betäubung nötig, weil das Arbeiten unter der Zunge mit unvorstellbaren Schmerzen verbunden ist.«
    »Könnte das hier in Barcelona gemacht worden sein?«
    »Nein, und auch in ganz Spanien nicht, vermutlich nicht mal in Europa«, verneinte er rundheraus. »Die besten Tätowierer sitzen in Japan, und da würde ich auch den suchen, der diesen winzigen Hundekopf gemacht hat, auf dem zu allem Überfluss auch noch ein Hahn sitzt. Es ist die Arbeit eines Miniaturisten. Man kann ja sogar die Zähne des Hundes, die Federn am Kopf des Hahns zählen, und die Farben haben nichts von ihrer Leuchtkraft verloren, obwohl die Mineralsalze im Speichel wahrscheinlich über Jahre hinweg darauf eingewirkt haben. Für so eine Arbeit brauchst du ganz spezielle Instrumente, unglaublich dünne Nadeln, die im Handel nicht zu kriegen sind, und außer einer unvorstellbar ruhigen Hand uralte Techniken, die hierzulande kein Mensch kennt …«
    »Also ein absolutes Meisterwerk, wie Sie gesagt haben.«
    »Unbedingt«, gab er zu. In seiner Stimme schwang erkennbar Neid mit. »Mitunter überdauert das Werk eines Großmeisters seinen Träger, weil man dem nach dem Tod Hautstücke ablöst, um es zu bewahren. Manche Leute legen für bestimmte Motive buchstäblich ein Vermögen auf den Tisch, und das hier würde unbedingt dazugehören.«
    »Was sagen Sie da? Es gibt Leute, die Tätowierungen auf der Haut Verstorbener sammeln?«, fragte sie, erstaunt und erschreckt zugleich.
    »Für Geld kriegt man alles, Süße«, erklärte er mit einem Lächeln und nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus der Flasche. »In Deutschland sind manche so beknackt, dass sie Leuten mit einer ausgefallenen Tätowierung Unsummen zahlen, damit die ihnen nach dem Tod ihre Haut überlassen. Natürlich verstößt das gegen die Gesetze, wird aber gemacht.«
    »Und wenn so jemand bei einem Unfall umkommt und die Tätowierung dabei ruiniert wird?«, erkundigte sich Mabel, während ein Schauer sie überlief, bei dem sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufrichteten.
    »Das Risiko nehmen die Verrückten auf sich«, sagte er und rülpste genussvoll. »Das Leben ist voller Zwischenfälle. Glaub mir, Puppe, die Tätowierung da ist so großartig, dass man dem Kerl die Zunge dafür ausreißen könnte.«
    »Könnte sie ein besonderes Kennzeichen sein?«
    »Was weiß ich«, sagte Heisenberg zögernd. Er schien sich immer noch nicht von seiner Verblüffung erholt zu haben. »Wie gesagt, es gibt Motive, die sich ständig wiederholen: Wörter, ganze Sätze, Drachen, Kreuze, die Anfangsbuchstaben des Namens einer geliebten Person mit einem Herzen drumrum … Tausende. Manche davon lassen sich in der Tat bestimmten Gruppen zuordnen. Herzen und Kruzifixe findet man oft bei Fremdenlegionären. Früher haben sich in vorzivilisierten Kulturen alle männlichen Angehörigen eines Stammes dessen Totemtier als Schutzzauber gegen Unfälle bei der Jagd, gegen Krankheiten oder Verwundungen im Kampf auf die Hand tätowieren lassen …«
    »Könnte das hier ein rituelles Symbol sein?«
    »Möglich«, räumte er ein, doch es klang nicht besonders überzeugt. »Auf den Palau-Inseln erkennt man die heiratsfähigen Mädchen an einer dreieckigen Tätowierung auf dem Venushügel. Na, was hältst du davon?«, erkundigte er sich spöttisch. »Dass sich die Leute heutzutage die Eichel, die Testikel oder die Schamlippen tätowieren lassen, ist, wie man sieht, überhaupt nichts Neues. Die raffiniertesten Tätowierungen hab ich übrigens bei den Maori in Neuseeland gesehen. Geradezu atemberaubend. Die ägyptischen Kopten erkennen einander an Kreuzen, die sie sich auf die Hände tätowieren lassen. Die christlichen Frauen in Bosnien und der Herzegowina lassen sich Räder auf Finger, Arme und Brust tätowieren, weil sie überzeugt sind, damit das Vorrücken des Islam

Weitere Kostenlose Bücher