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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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aufhalten zu können. Es gibt Tätowierungen für jeden Geschmack, jeden Glauben und jedes Volk. Ich weiß von Einzelfällen, in denen sich Leute die Augenlider haben tätowieren lassen, aber das hier ist das erste Mal, dass ich eine tätowierte Zunge sehe.«
    »So etwas kommt also nicht häufig vor?«
    Heisenberg konnte angesichts von Mabels Unwissenheit auf diesem Gebiet ein höhnisches Lächeln nicht unterdrücken.
    »Ein guter Tätowierer, und dazu darf ich mich zählen«, sagte er voll Stolz, »besitzt gründliche anatomische Kenntnisse. Die sind unbedingt nötig, um eine Nervenlähmung zu vermeiden, wie sie durch eine Infektion oder unmittelbar durch die Nadel hervorgerufen werden kann. Aber die Zunge ist ein ganz besonderer Fall. Kein verantwortungsbewusster Tätowierer würde sich an die wagen, wenn er keine glänzenden Kenntnisse auf dem Gebiet der Akupunktur besitzt. Die Zunge wird von siebzehn Muskeln bewegt und besitzt ein ausgesprochen komplexes System von Blutgefäßen. Man muss auf den Millimeter genau wissen, wohin man stechen darf, damit der Betreffende nicht die Sprache verliert, oder, schlimmer noch, nicht mehr selbstständig essen kann.«
    Mabel schüttelte sprachlos den Kopf. Nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, was für Komplikationen eine Tätowierung von unkundiger Hand hervorrufen kann. Heisenberg nahm einen letzten kräftigen Zug aus der Schnapsflasche und zeigte ihr dann mehrere Kataloge mit Tätowierungen internationaler Großmeister, von denen die meisten längst nicht mehr lebten. Keiner von ihnen hatte sich je an die Unterseite einer Zunge gewagt.

     
    »Bringst du mir was Neues?«, erkundigte sich Munárriz, der die Fotos und Zeichnungen Begoña Ayllóns auf dem Esszimmertisch vor sich ausgebreitet hatte und immer wieder mit den Notizen verglich, die er sich bei seinem Gespräch mit Alfonso Grau gemacht hatte.
    »Nicht das Geringste«, gab Mabel entmutigt zurück. »Ich hab alle Tätowierstudios der Stadt abgeklappert und bin nirgends fündig geworden – nicht mal bei Hans Heisenberg, einem deutschen Säufer und Unterrockstürmer, den seine Kollegen als besten Tätowierer von ganz Barcelona bezeichnen. Er sagt, dass er in all den Jahren, die er den Beruf ausübt, nie was gesehen hat, was dieser Tätowierung der Zunge auch nur nahekäme. Übrigens hat er auch gesagt, dass so was nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern auch überaus gefährlich ist.«
    »Und was ist mit dem Internet?«
    »Gleichfalls Fehlanzeige«, klagte sie. Es ärgerte sie, dass sie so viel Zeit mit der Suche vergeudet hatte. »Nichts, aber auch gar nichts. Tausende von Seiten beschäftigen sich mit Tätowierungen, aber auf keiner taucht ein ähnliches Motiv auf. Ich hab sogar amerikanische, chinesische und japanische Server angeklickt, alles ohne Erfolg.«
    »Gib eine Zeitungsanzeige auf.«
    »Eine Zeitungsanzeige?«, rief sie aus. »Soll das ein Witz sein?«
    »Absolut nicht«, gab er zurück. »Nach meinem Besuch bei Castilla war ich kurz in meiner Dienststelle und hab unser Archiv durchsucht. Obwohl es Tausende von Personen enthält, die man anhand ihrer Tätowierungen identifizieren kann, findet sich nichts in der Art. Ein Kollege von der Abteilung Jugendkriminalität hat mir geraten, mit jemandem vom ethnologischen Museum zu reden, der sich mit Eingeborenenvölkern auskennt. Die haben sich mehrfach an den gewandt, wenn es darum ging, Symbole und Kennzeichen von Jugendbanden zu identifizieren, und dank seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Stammeskunst ist es ihnen tatsächlich gelungen, mehrere Mitglieder der als Latin Kings und Ñetas bekannten Jugendbanden festzunehmen. Du weißt schon, diese heftig tätowierten Ecuadorianer und Dominikaner, die sich ständig mit Waffen in den Haaren liegen.«
    »Und konnte er dir was dazu sagen?«
    »Nein. Ich hab ihm die Tätowierung beschrieben und gesagt, an welcher Stelle sie sich befindet – der Mann hat sich bestimmt auch jetzt noch nicht von seinem Staunen erholt. Genau wie dein Tätowierer hatte er im Leben so was noch nicht gesehen und auch nie davon gehört. In keiner der Bibliographien, in denen er nachgeschlagen hat, taucht irgendwo der Brauch auf, die Zunge zu tätowieren, und schon gar nicht von unten. Er hat mir erklärt, dass sich manche Polynesier religiöse Symbole an verborgenen Körperstellen tätowieren lassen, allerdings nur äußerst selten, denn es ist außerordentlich schmerzhaft. Nach drei Stunden ist wenigstens eine interessante Sache

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