Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
zutage gekommen: Die Großmeister unter den Tätowierern setzen schon von alters her ihren ganzen Stolz darein, kein Motiv zwei Mal auf genau die gleiche Weise zu stechen – und das gilt auch heute noch.«
»Aber das da«, betonte Mabel und wies auf das Foto mit der Tätowierung, das auf dem Tisch lag, »ist mindestens zwei Mal völlig gleich gestochen worden.«
»Das hab ich ihm auch gesagt«, gab er seufzend zurück, »und er hat mir erklärt, dass ein solches Verfahren in der Antike weit verbreitet war, wenn es darum ging, Angehörige von Geheimbünden zu kennzeichnen. In der Gegenwart seien ihm solche Fälle aber nicht bekannt.«
»Und was versprichst du dir von der Anzeige, zu der du mir rätst?«
»Sie ist unsere einzige Hoffnung«, gab er zurück.
»Angenommen, der Ethnologe hat Recht. Dann könnte das die Tätowierung eines solches Geheimbundes sein. Ich stelle mir vor, dass solche Leute über Chiffreanzeigen in der Presse Kontakt miteinander aufnehmen.«
»Ach so.« Sie verstand, worauf er hinauswollte, da sie schon Artikel über okkultistische Sekten verfasst hatte und deren Hintergrund kannte. »Aber die verwenden einen vorher vereinbarten Code, ein Schlüsselwort oder so.«
»Ach was«, gab er mit einem Blick auf die Fotos zurück. »Setz einfach einen Text auf, der so geheimnisvoll klingt, als ob ihn nur Eingeweihte entschlüsseln könnten. Verstehst du? Wie wäre es mit einer Warnung an Seeleute? Ich bin sicher, dass das die Leute aufscheuchen wird. Wenn meine Annahme stimmt, werden die sich melden, um zu erfahren, was los ist.«
Drei Tage später schlug Mabel ihr Exemplar von La Vanguardia auf, das ihr ein Redaktionsbote wie jeden Morgen auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie suchte im Anzeigenteil nach der Rubrik »Verschiedenes« und las dort den kurzen Satz ihrer Anzeige »Hund und Hahn gehen gemeinsam ihren Weg«. Sie konnte nur hoffen, dass jemand sie las und sich bei der angegebenen E-Mail-Adresse eines Providers auf den Bahamas meldete. Sie verwendete diese Adresse ausschließlich in Fällen, in denen äußerste Diskretion angeraten war.
Der Anruf Lorenzo Castillas gab Munárriz neue Hoffnung. Seit ihrer Unterhaltung waren mehrere Tage vergangen, und wenn er auch das Ergebnis noch nicht kannte, war er sicher, dass Castilla sein Versprechen gehalten hatte. Sie verabredeten sich in einem Lokal an der Plaza del Doctor Andreu nahe der Talstation der Bahn zum Tibidabo, weil es am Vormittag eines Werktags so gut wie leer sein würde. Nur an Wochenenden war es sehr belebt. Die Herbstsonne verlockte sie, auf der Terrasse Platz zu nehmen, deren Palmen dem Ort einen exotischen Anstrich verliehen. Castilla setzte sich an einen Ecktisch, den eine hohe Hecke vor dem Wind schützte.
Als Munárriz auf die Terrasse hinaustrat, sah er Castilla, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte, damit die Sonne sein Gesicht bescheinen konnte. Er atmete in tiefen Zügen. Dank der Kiefernwälder auf den Bergen von Collserola und dem nahe gelegenen Park la Font del Recó mit seinem kleinen Wäldchen aus Eichen, Kiefern, Zypressen, Eukalyptus- und Lorbeerbäumen war die Luft dort herrlich rein. Er setzte sich und begrüßte Castilla.
»Pünktlich wie immer«, sagte dieser, ohne auf die Uhr zu blicken.
»Du hättest aber auch ein Lokal aussuchen können, das näher an der Stadt liegt …«
»Klar hätte ich«, gab Castilla in spöttischem Ton zurück. »Ich möchte aber lieber irgendwo mit dir reden, wo uns niemand belauschen kann.«
»Vorsichtsmaßnahmen?«, fragte Munárriz und ließ unwillkürlich den Blick über die Terrasse wandern. Sie waren allein.
»Die Sache stinkt«, sagte Castilla einleitend. »Das hab ich dir gleich gesagt, als du wegen des Buchs bei mir warst.«
Munárriz nickte. Sie schwiegen, während der Kellner ihre Bestellung aufnahm, und setzten ihr Gespräch erst fort, als die Biergläser vor ihnen standen.
»Habt ihr den Toten identifizieren können?«, erkundigte sich Munárriz.
»Nein. Aber ich hab was über seinen Hintergrund zu erfahren versucht.«
»Und? Ist was dabei herausgekommen?«
»Ja.« Er räusperte sich, bevor er fortfuhr: »Wie besprochen, hab ich mir ein Muster seiner DNA besorgt. Mascaró hatte nichts dagegen. Bei der Gelegenheit hab ich mir gleich mal die persönlichen Effekten des Toten genauer angesehen.«
»Gut gemacht«, lobte ihn Munárriz.
»Ich hab das DNA-Muster an Doktor Aguirre weitergeleitet«, fuhr Castilla fort, »eine unserer besten
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