Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
einigen Zuhältern vorüber, die sie unverschämt musterten, und fand schließlich den gesuchten Eingang an der Einmündung zur Passage Lluís Cutchet, in der im 19. Jahrhundert ein berühmtes Badehaus gestanden hatte. An der Tür auf dem oberen Absatz der Holztreppe, der unter der Einwirkung der Feuchtigkeit durchhing, wies nichts auf ein Tätowierstudio hin. Da es keine Klingel gab, klopfte sie an.
»Komm rein, Kleine …«, sagte der schmierige Typ, der ihr öffnete. Er war ihrer Schätzung nach an die Sechzig und hatte sich den Kopf kahl rasieren lassen, wohl um zu vertuschen, dass er kaum noch Haare hatte. Seine Lycrahose saß so knapp, dass sich sein Gemächt darunter abzeichnete, und seine offene Lederweste ließ seine behaarte Brust und seine mit Drachen tätowierten Arme sehen.
»Ich suche Hans Heisenberg«, sagte Mabel, die sich ziemlich unwohl fühlte.
»Du hast ihn schon gefunden«, stellte er sich vor und führte sie in einen kleinen Raum mit einem Sofa und einer Art Servierwagen mit den für die Ausübung seiner Tätigkeit nötigen Instrumenten. Ein durchdringender Geruch nach Haschisch hing in der Luft. Sie sah sich um: alle Wände waren mit Fotos von Tätowierungen und abstrakten Zeichnungen bedeckt.
»Ich möchte …«
»Ich weiß schon«, fiel er ihr ins Wort. »Du möchtest da eine hübsche Tätowierung …«, sagte er mit breitem Lächeln und strich ihr dabei über die Brust.
»Tu deine dreckige Pfote weg«, fauchte sie.
Er lachte schallend.
»Man hatte es mir zwar gesagt«, erklärte er, »aber ich wollte selbst sehen, ob es stimmt.«
»Sie wussten, dass ich komme?«
»Hier im Viertel fliegen die Nachrichten wie der Wind, Schätzchen«, sagte er mit volltönender Stimme. »Man hatte mir gesagt, dass eine Zeitungstussi zu mir will. Dass du das sein musstest, war mir sofort klar, wie ich die Tür aufgemacht hab.«
»Werden Sie mir helfen?«, sagte sie zögernd. Sie blieb ganz bewusst beim »Sie«, um ihn auf Distanz zu halten.
»Kommt ganz drauf an …«, sagte er und nahm einen kräftigen Schluck aus einer Flasche mit Wacholderschnaps. »Das Leben in dieser Stadt ist verdammt teuer.«
Sie öffnete ihre Handtasche und drückte ihm einen Hundert-Euro-Schein in die Hand. Er nickte befriedigt, leckte sich die letzten Tropfen Schnaps von den Lippen, schob das Geld in eine Tasche seiner Weste und bot ihr einen Hocker an.
»Wissen Sie, wer das hier gemacht haben könnte?«, fragte sie und zeigte ihm das Foto mit der Tätowierung.
Durch eine runde Lupe betrachtete er aufmerksam das Muster auf der Suche nach einem besonderen Merkmal, einem Hinweis auf den Verfertiger der Tätowierung. Verwirrt schüttelte er den Kopf, als hätte ihn die Frage aus dem inneren Gleichgewicht gebracht.
»Wer ist so tätowiert?«, fragte er rundheraus.
»Ein Toter«, sagte sie, und in der Hoffnung, die erwünschte Wirkung zu erzielen, nahm sie ein weiteres Foto heraus, auf dem der am Strand von Bogatell angetriebene Mann vollständig zu sehen war.
Heisenberg sah es aufmerksam an und seufzte tief auf.
»Keine Ahnung, wer das gemacht haben könnte«, gab er zu, wobei Mabel eine gewisse Unruhe an ihm zu bemerken glaubte. »Die meisten Tätowierer fügen ihrer Arbeit ein kleines Merkmal bei, damit jeder aus der Branche weiß, wer es gemacht hat. Sieh mal her«, fuhr er ernster als zuvor fort. Er nahm einen Ordner voller Abbildungen zur Hand und zeigte ihr einige davon. »Du musst sie durch die Lupe ansehen, dann erkennst du, dass die Krümmung dieser Feder, der Schuppe da oder dieses Buchstabens in einer winzigen Schleife endet. Hast du sie?« Sie nickte, die Lupe dicht vor die Augen haltend. »Nur ich mach so eine Schleife«, fuhr er stolz fort«, denn die feinen Linien sind unheimlich schwierig zu stechen, weil man dafür eine verdammt ruhige Hand braucht. Immer wenn du so eine Schleife siehst, darfst du sicher sein, dass das meine Handschrift ist.«
»Und gibt es eine Möglichkeit festzustellen, wer das hier gemacht hat?«, ließ Mabel nicht locker.
»Nein, aber ich kann dir auf jeden Fall sagen, dass das ein absoluter Meister seines Fachs gewesen sein muss. Die Feinheit der Linien und die Farben lassen an die chinesische oder japanische Schule denken. In all den Jahren, die ich im Geschäft bin, hab ich nichts auch nur von ferne Vergleichbares gesehen. Die Tätowierung stammt unter Garantie nicht aus der heutigen Zeit, da kannst du Gift drauf nehmen, Mäuschen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Heutzutage
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