Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Augenblick bitte.«
Die Klänge eines neapolitanischen Volksliedes ertönten in der Leitung. Pavlovic kannte die Sicherheitsvorschriften im Vatikan zur Genüge. Wer mit Kardinal Rudolph Böhm, dem Leiter des Nachrichtendienstes, sprechen wollte, musste zuvor vom Sicherheitsdienst identifiziert werden. Der Mann meldete sich erneut, sagte »Ich verbinde«, und eine weitere unbekannte Stimme erkundigte sich nach dem Grund des Anrufs.
»Sie wünschen?«
»Ich bin Mieszko Pavlovic von der apostolischen Nuntiatur in Madrid«, sagte er mit Nachdruck, »und möchte mit Kardinal Böhm sprechen.«
Wieder musste er sich gedulden. Der Mann, an den der Anruf weitergeleitet worden war, gab Pavlovics Nummer, die er auf dem Display sah, in seinen Rechner ein, worauf auf dem Bildschirm automatisch das dort gespeicherte Stimmbild erschien. Er wartete, bis der Rechner es mit dem der Aufnahme ihres kurzen Gesprächs verglichen und die Identität des Anrufers bestätigt hatte. Als nach einigen Sekunden das Wort positivo auf dem Bildschirm erschien, stellte er Pavlovic zum Leiter des vatikanischen Nachrichtendienstes durch.
»Ah, Pavlovic«, begrüßte ihn der Kardinal gut gelaunt. »Wie bekommt Ihnen die Luft in Barcelona?«
»Bestens, Eminenz.«
»Ich will nicht hoffen, dass Ihr Anruf schlechte Nachrichten bedeutet.«
»Aber nein«, beruhigte ihn der Priester sogleich. »Ich möchte lediglich einen Vorfall berichten und um eine Untersuchung durch die zuständige Einsatzgruppe bitten.«
»Ich höre.«
»Gestern«, begann er gemessen, »hat man auf dem Gelände der Sagrada Familia eine Restauratorin tot aufgefunden. Zwar weist alles auf einen bedauerlichen Unfall hin, doch ist mir, als ich den Ort gemeinsam mit Bischof Granvela aufsuchte, die Anwesenheit eines Kriminalbeamten aufgefallen.«
»Den wird man routinemäßig dorthin abgeordnet haben«, erklärte der Kardinal kurz angebunden.
»Gewiss, Eminenz«, bestätigte Pavlovic. »Aber die offizielle Untersuchung liegt in den Händen der katalanischen Regionalpolizei, und der Mann, ein gewisser Inspektor Munárriz, hat sich nicht als Angehöriger der nationalen Kriminalpolizei zu erkennen gegeben, als wir ihn fragten, wer er sei.«
»Und woher wissen Sie es dann?«
»Wie Ihnen bekannt ist, bin ich ein alter Hase, Eminenz. Da mir das Verhalten des Mannes verdächtig erschien, habe ich mich bei der Sicherheitsabteilung der Nuntiatur in Madrid erkundigt.«
»Hegen Sie etwa einen Verdacht?«
»Nicht unbedingt, Eminenz. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn man eine Routineüberprüfung vornehmen könnte, für den Fall, dass doch etwas an der Sache ist. Ora et labora …«
»Wir werden uns darum kümmern«, sagte der Kardinal abschließend.
»Danke, Eminenz.«
Pavlovic legte auf. Er hatte seine Pflicht getan und die Sache gemeldet. Zwar hegte er keinen Verdacht, doch hatte er gelernt, dass man sich in jede Richtung absichern muss. Er stand auf und sah erneut zum Fenster hinaus. Draußen machten sich Straßenmusiker daran, den endlosen Strom der durch die Altstadt ziehenden Touristen zu unterhalten. Auch sah er einige Gruppen von Schulkindern, die sich lärmend um den Springbrunnen vor dem Bischofspalast drängten. Barcelona, ein Ort, an dem die Gebäude die Geschichte der Stadt erzählten, ähnelte in keiner Weise seiner im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstörten Vaterstadt Gdansk, die ihre Seele nicht wiedergefunden hatte, obwohl man sie wieder aufgebaut hatte.
In seinem Büro in den Räumen des Governatorato im Vatikan dachte Kardinal Rudolph Böhm einige Sekunden lang über die Mitteilung nach, die ihm Pavlovic soeben gemacht hatte. Wenn es um die Sicherheit des Vatikanstaats ging, der immerhin das Reich Gottes auf Erden vertrat, durfte man nichts dem Zufall überlassen, wie unbedeutend auch immer es scheinen mochte. Er drückte einen goldfarbenen Knopf in einem Palisanderkästchen, das in seine Schreibtischplatte eingelassen war, und beauftragte über die Gegensprechanlage einen vigile , ihm den Prälaten Marco Pestalozzi zu schicken, der die Einsatzgruppe des vatikanischen Nachrichtendienstes leitete.
2
D as Taxi fuhr auf die Avenida del Hospital Militar und dann unter der Brücke von Vallcarca hindurch in Richtung auf den Berg Tibidabo. Nach einer Weile hielt es vor dem Eingang des ehemaligen Hospital Militar del Generalísimo an, das jetzt den zivilen Namen Parque Sanitario Pere Virgili trug. Diese Anlage, ein Gewirr aus Gebäuden, die der öffentlichen
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