Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Rückstände von Antibiotika«, hob er hervor. »Die Frau war kerngesund.«
»Müsste man nicht annehmen, dass sie beim Sturz die Arme schützend vor sich gehalten hat, um den Aufprall zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen? Zumindest versucht man doch in einem solchen Fall, sich irgendwo festzuhalten. Dabei würden dann zwangsläufig Abschürfungen oder Quetschungen entstehen«, gab Munárriz zu bedenken.
»Da gebe ich Ihnen Recht. Es liegen aber weder auf Verletzungen zurückgehende Hämatome vor, noch Abschürfungen oder sonstige Hinweise auf ein solches Verhalten. Vielleicht hat ein Unwohlsein oder Schwindelanfall den Sturz ausgelöst. Überanstrengung und Stress könnten zu einem Abfall des Blutdrucks geführt haben, woraufhin sie schlicht und einfach ohnmächtig geworden ist. Die Lage des Körpers im Verhältnis zur Leiter und zum Tisch lässt diesen Schluss durchaus zu. Glauben Sie mir, Inspektor – wir haben die Leiche Millimeter für Millimeter abgesucht«, fügte er in leicht väterlichem Ton hinzu, »und sind auf nichts Verdächtiges gestoßen. Das garantiere ich Ihnen.«
»Danke, Doktor Mascaró.«
»Gern geschehen.«
Auf dem Weg zum Ausgang begegnete er den Anwälten, die Carlos Ayllón in Marsch gesetzt hatte, um die Verwaltungsangelegenheiten zu beschleunigen, damit die Leiche seiner Tochter möglichst rasch freigegeben und an ihren Heimatort überführt wurde. Er sah auf die Uhr. Zwei Uhr. Er nahm das Telefon heraus und rief Mabel in der Redaktion an. Sie teilte ihm mit, dass sie noch eine ganze Weile zu tun haben werde, da ihre für die Montagsausgabe vorgesehene Reportage über die von mehreren rumänischen Familien organisierte Kinderkriminalität eine ganze Seite in Anspruch nehmen werde. Sie verabredeten sich in seiner Wohnung zum Abendessen. Mabel erklärte, sie werde eine Flasche Wein kaufen und eine ganz besondere Mahlzeit zubereiten.
Die Räume der bei der Spurensicherung der Kriminalpolizei tätigen Mitarbeiter lagen in einem modernen Gebäude außerhalb der Stadt zwischen den Stadtteilen Gracia und Manresa auf dem Weg zum Berg Tibidabo. Während Munárriz am Steuer seines Peugeot 407 die steil ansteigende gewundene Straße emporfuhr, hatte er einen herrlichen Blick auf die unter ihm liegende Stadt. Die Türme der Sagrada Familia , die viele Jahre lang den Himmel über Barcelona beherrscht hatten, wirkten mittlerweile winzig im Vergleich mit den neuen Ikonen der katalanischen Architektur. Da war einmal der von Jean Nouvel errichtete Verwaltungsbau der Wasserversorgung und zum anderen das Hotel Arts von den Architekten Bruce Graham und Frank O. Gehry. Als er die Höhe des Vilana-Berges erreicht hatte, hüllten Wolken die Spitze des von Norman Foster für die Olympischen Spiele des Jahres 1992 errichteten Fernsehturms ein.
Munárriz wies sich bei dem Wachhabenden am Eingang aus und wurde mit seinem Wagen auf den Besucherparkplatz verwiesen. Inzwischen war es dunkel geworden, und die Lichter des Hafens mit den vor Anker liegenden riesigen Schiffen ließen erkennen, wo die Stadt immer mehr ins Wasser hinauswuchs. Er betrat das für seinen Geschmack zu sehr am Minimalismus orientierte Gebäude und stieg in den zweiten Stock, wo er das kriminaltechnische Labor aufsuchte. Auf sein Klopfen hin forderte ihn eine tiefe Stimme zum Eintreten auf. Lorenzo Castilla, Fachmann für Ballistik und biologische Spuren, war gerade dabei, unter einem Auflichtmikroskop zwei Geschosshülsen miteinander zu vergleichen.
»Begrüßt du seit Neuestem deine Freunde nicht mehr?«, sagte Munárriz, um Castillas Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Na hör mal …!«, rief dieser aus und hob den Kopf. »Seit man dich zum Koordinator gemacht hat, sieht man dich doch kaum noch.«
»Wie geht es dir?«, erkundigte sich Munárriz und umarmte ihn.
»Gut, und selber?« Bei diesen Worten klopfte ihm Castilla freundschaftlich auf den Rücken.
»Ich hock nur noch im Büro. Mit der Rumlauferei ist Schluss, aber manchmal überkommt mich doch das Bedürfnis nach ein bisschen Bewegung«, erklärte Munárriz.
»Sieh dir das mal an«, forderte ihn Castilla auf.
Er sah durch die Okulare und erkannte auf den Geschosshülsen identische Riefen und Einkerbungen. Zwar hatte man die Hülsen an verschiedenen Stellen gefunden, doch waren sie zweifellos aus derselben Waffe abgefeuert worden.
»Ich brauch deine Hilfe«, erklärte Munárriz und nahm den Blick von dem Mikroskop.
»Ich hatte mir schon gedacht, dass du nicht
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