Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
zu hinterlassen, ein Täter, der so gerissen war, dass er erfahrene Kriminaltechniker hinters Licht führen konnte, so dass diese seine Tat als Unfall einstuften. Wer auch immer der Täter war – er hatte eine winzige Kleinigkeit übersehen, und die hatte Munárriz dank seines sechsten Sinns entdeckt.
Er nahm sich vor, als Nächstes in den Archiven und Datenbanken der Kriminalpolizei nachzuforschen. Trotz seiner über dreißig Dienstjahre konnte er sich an keinen ähnlichen Fall erinnern. Gewöhnlich verfolgte ein Mörder mit seiner Tat einen bestimmten Zweck: Er wollte Beute machen, einen Zeugen aus dem Weg räumen, Rache üben, eine alte Rechnung begleichen … Dabei ging er so vor, wie es ihm am ehesten Erfolg zu versprechen schien, ohne Rücksicht darauf, ob Dritte zu Schaden kamen. Solche Leute machten sich nicht die Mühe, keine Spuren zu hinterlassen – sie sammelten weder Geschosshülsen ein, noch beseitigten sie Blutspuren oder wischten Fingerabdrücke von Gegenständen ab, die sie bei ihrer Tat berührt hatten, da sie fest davon überzeugt waren, dass ihnen niemand je auf die Fährte kommen würde. Mit einem Rückflugschein in der Tasche kamen sie aus Kolumbien, Ecuador, Peru, Rumänien oder Albanien ins Land, erledigten ihren Auftrag und kehrten wenige Tage später unbehelligt in ihre Heimat zurück, wo sie nicht zu befürchten brauchten, aufgespürt zu werden. Doch Begoña Ayllón war nicht offen umgebracht worden, sondern still und heimlich, und der Täter hatte ihren Tod als Unfall getarnt. Jetzt war es an Munárriz festzustellen, was dahintersteckte.
Zwei Kerzen in Kristall-Leuchtern schimmerten in der Dunkelheit von Munárriz’ kombiniertem Wohn- und Esszimmer, während Mabel in der Küche letzte Hand an das aus Kartoffelsuppe mit Stockfisch und confit de canard bestehende Abendessen legte. Neben der Karaffe stand eine leere Flasche Pago de los Capellanes Finca el Picón , ein ausgezeichneter Wein aus dem Anbaugebiet Ribera del Duero. Eine CD des Jazzmusikers Gordon Haskell sorgte für die romantische Untermalung.
Als Munárriz hereinkam, nahm sie die Schürze ab und umarmte und küsste ihn mit der Lebhaftigkeit, die ihrer Art entsprach, sich dem Leben zu stellen. Trotz ihrer anstrengenden Arbeit in der Redaktion hatte sie noch Zeit gefunden, einige Kleidungsstücke aus ihrer Wohnung zu holen, in einem Delikatessengeschäft einzukaufen und die köstlich duftende Suppe zuzubereiten, die auf dem Herd brodelte.
»Sebas?«, fragte sie in liebevollem Ton. »Könntest du einen Augenblick auf die Suppe aufpassen?«
Ein besonderer Abend verlangte eine besondere Kleidung. Sie duschte rasch und zog sich ein Satinkleid an, das ihren Körper wie ein Handschuh umschloss und dessen mit Spitze gesäumter großzügiger Ausschnitt seinen Blicken ihre üppigen Brüste darbot.
Munárriz sah sie vom Türrahmen aus an, wie sie in aufreizender Haltung dastand, ein Bein angewinkelt, um durch den Seitenschlitz des Kleides ihren Oberschenkel zu zeigen. Von ihrer Sinnlichkeit verwirrt, wurde ihm sogleich klar, dass er den Versöhnungskampf verloren hatte. Er würde nie aufhören können, sie zu lieben, ganz gleich, wie oft sie miteinander in Streit gerieten. Sein Leben war unauflöslich mit dem dieser Frau verflochten, die ihm den Kopf verdrehte.
»Wie war dein Tag?«, fragte sie, während sie ihn an den Tisch führte.
»Ich hatte schon bessere.«
»Warst du in der Sagrada Familia ?«, erkundigte sie sich behutsam und ohne besondere Betonung, während sie Wein eingoss.
»Ja«, sagte er. Es klang niedergeschlagen.
»Und, gibt es Verdachtsgründe?«
»Ich glaube, ich habe einen kleinen Hinweis gefunden«, gab er unsicher zurück, das Weinglas in der Hand. »Vielleicht war es kein Unfall.«
»Im Ernst?«
»Ich fürchte, ja.«
»Morgen bringt La Vanguardia Begoñas Todesanzeige. Wenn du deiner Sache wirklich sicher bist, möchte ich gern Einzelheiten wissen.«
»Denk an das, was du mir versprochen hast!«, mahnte er sie mit vorwurfsvoll erhobenem Zeigefinger.
»Ich werde schweigen wie ein Grab«, gab sie gekränkt zurück. »Gerade deshalb fände ich es schön, wenn du mich auf dem Laufenden hieltest. Ich würde dir gern helfen, und wenn man sie umgebracht hat …« Sie unterbrach sich und fragte nachdenklich: »Hast du dir das Buch angesehen?«
»Es war völlig intakt. Castilla im Kriminallabor hat mir erklärt, dass es auf jeden Fall hätte beschädigt sein müssen, wenn es tatsächlich zu Boden
Weitere Kostenlose Bücher