Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Seidentuch.«
»Ist das alles?«
»Ja«, bestätigte der Mann und ging die Liste leise murmelnd noch einmal durch.
»Vielen Dank.«
»Jederzeit zu Diensten, Kollege.«
»Gleichfalls«, erwiderte Munárriz. »Auf Wiedersehen.«
Die Handtasche hatte keine Schlüssel enthalten, also musste der Mörder sie an sich genommen haben, um nach der Tat die Wohnung zu durchsuchen.
Er sah sich ein letztes Mal in der Wohnung um. Auf einem Ecktischchen im Wohnzimmer stand ein Macbook. Er setzte sich davor und schaltete den Rechner ein, in der Hoffnung, darauf Dateien zu finden, die ihm weiterhelfen konnten. Doch der Bildschirm flimmerte nur. Er versuchte mehrere Befehle einzugeben. Nichts. Er bewegte die Maus hin und her. Wieder nichts. Offenkundig hatte derjenige, der das Chaos in der Wohnung angerichtet hatte, auch die Festplatte formatiert. Sämtliche Daten waren gelöscht. Es konnte keinen Zweifel geben: Hinter dem Mordfall steckten ausgekochte Profis. Die Sache würde kompliziert werden.
Es war acht Uhr, als Mabel schwer atmend hereinkam. Wie jeden Morgen hatte sie eine Dreiviertelstunde lang um die Plaza de la Virreina herumgejoggt. Nach einer Weile kehrte sie erfrischt aus der Dusche zurück, bereit für den neuen Arbeitstag, immer auf der Jagd nach Berichtenswertem.
Reporter wie sie, stets darauf bedacht, den Finger auf Wunden zu legen, waren eine ganz besondere Kategorie von Journalisten. Sie begnügten sich weder mit der Auswertung von Agenturberichten noch mit der Teilnahme an Pressekonferenzen von Popgrößen, Fußballern, Schauspielern oder Politikern – sie zogen lieber durch die Stadt, um Vorfälle oder Zustände aufzuspüren, die man der Öffentlichkeit ihrer Ansicht nach nicht vorenthalten durfte, sie waren sozusagen Polizeibeamte ohne Dienstausweis. Sie schleusten sich in kriminelle Gruppen ein, um über deren Treiben berichten zu können, machten sich auf die Suche nach Vermissten oder hakten beharrlich in Fällen nach, die von den Behörden längst zu den Akten gelegt worden und vergessen waren.
Trotz der Schwierigkeiten, die ihm Mabel bereitet hatte, war Munárriz stolz auf sie. Jener Vorfall, der ihn so tief getroffen hatte, war jetzt vergeben, wenn auch nicht vergessen. Sie frühstückten gemeinsam und verabredeten sich dann für den Abend.
In seinem Notizblock suchte er die Adresse von Begoña Ayllóns Verlobtem heraus. Francisco Bonastre wohnte am Paseo de la Bonanova – eine teure Adresse in einem vornehmen Viertel der Oberstadt. Er sah auf die Uhr. Halb neun. Da war der Mann sicher noch zu Hause. Er wählte die Nummer, die er sich von der Auskunft hatte geben lassen. Nach mehrfachem Klingeln meldete sich eine volltönende Stimme. »Hallo?«
»Señor Bonastre?«
»Am … Apparat …«, kam es stockend zurück. Der Anruf schien ihn aus dem Schlaf gerissen zu haben. »Wer spricht da?«
»Sebastián Munárriz, ein guter Freund von Begoñas Vater. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten, wenn das möglich ist.«
»Mit mir?«
»Ja«, sagte Munárriz mit Nachdruck.
»Wozu?«
»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich bin Polizeibeamter«, sagte Munárriz, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Ich versuche festzustellen, wo sich Ihre Verlobte in der vergangenen Woche aufgehalten hat.«
»Polizei …«, kam es in besorgtem Ton zurück. »Ist was passiert?«
»Nein, nichts«, erklärte Munárriz, um ihn nicht aufzuregen. »Reine Routinesache.«
»Aber wenn die Polizei ermittelt …«
»Die Polizei ermittelt nicht«, beruhigte ihn Munárriz. »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich ein guter Freund von Begoñas Vater bin. Ich möchte lediglich wissen, was sie im Lauf der vorigen Woche getan hat, um die Angehörigen davon in Kenntnis zu setzen. Ist Ihnen das irgendwie unangenehm?«
»Natürlich nicht.«
»Wann können wir uns treffen?«
»Passt Ihnen heute Mittag gegen Viertel nach eins?«
»Ja.«
»Ich esse um diese Zeit im Compostela , in der Calle Ferran, Nummer dreißig.«
»Also um Viertel nach eins«, bestätigte Munárriz, während er die Adresse notierte.
»Wir könnten uns an der Bar treffen.«
»Woran erkenne ich Sie?«
»Ich habe eine Aktentasche mit der Aufschrift COINSA . Das ist die Firma, für die ich arbeite.«
»In Ordnung.«
Den Rest des Vormittags brachte Munárriz damit zu, seinen Vertreter, wie er es dem Kommissar versprochen hatte, einzuarbeiten und mit den wichtigsten Fällen vertraut zu machen. Auf keinen Fall wollte
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