Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Von einem Augenblick auf den anderen schien er jegliches Interesse am Liebesspiel verloren zu haben.
»Nicht viel«, gab sie betrübt zurück. »Ich hab mit Vilaró über sie gesprochen. Man könnte glauben, dass sie ein Ausbund an Tugenden war.«
»Hatte sie Feinde?«
»Nein«, gab sie entschieden zurück. »Nach allem, was er sagt, muss sie die Güte in Person gewesen sein. Sie hat an verschiedene private Hilfsorganisationen Geld für wohltätige Zwecke gespendet, weil sie Schuldgefühle wegen des Reichtums ihres Vaters hatte. Jedes Jahr ist sie mehrere Male nach Afrika gereist und hat dort einen Teil ihrer Zeit wohltätigen Organisationen gewidmet. Auch hat sie Entwicklungsprogrammen in der Dritten Welt einen Teil ihrer Mitgift zukommen lassen. Vom Rest hat sie Kunstwerke gekauft.«
»Was ist mit Freunden?«
»Sie hatte keinen großen Freundeskreis«, erklärte Mabel. »Wie es aussieht, lebte sie mehr oder weniger allein, seit sie wegen ihres Verlobten hierher nach Barcelona gezogen war.«
»Was weißt du über den Mann?«
»Wenig. Er heißt Francisco Bonastre, kommt aus den besten Kreisen und scheint ein ordentlicher Kerl zu sein. Er verdient gut als Ingenieur in einem großen Bauunternehmen, das hauptsächlich für die Regierung tätig ist. Um Vorhaltungen zu vermeiden, hat Begoña ihren erzkonservativen Eltern verheimlicht, dass sie und Bonastre sozusagen im Konkubinat lebten. Die Mutter hatte schon immer befürchtet, sie könne einem Mitgiftjäger auf den Leim gehen. Hier hast du alle Einzelheiten über Bonastre.« Sie gab ihm einen Computerausdruck.
»Haben die beiden zusammengelebt?«
»Nein, offiziell getrennt.«
»Weißt du auch, warum sie Kunstgeschichte studiert hat?«
»Wahrscheinlich, um den Vater zu ärgern. Carlos Ayllón hätte sie am liebsten als ausgebildete Önologin oder Betriebswirtin gesehen, damit er ihr später die Firma übergeben konnte. Aber sie hat ihren Kopf durchgesetzt und getan, was sie wollte.«
»Gebäude restaurieren scheint mir ein herrlicher Beruf zu sein«, sagte Munárriz nachdenklich.
»Sicher«, stimmte ihm Mabel zu und ergänzte: »Die Ayllóns haben außer ihr keine Kinder. Das bedeutet, dass die Firma Bodegas Ayllón nach dem Tod des Vaters den Bach runtergehen würde. Von Vilaró weiß ich, dass sich die Neffen schon vor Freude auf das herrliche Leben, das sie dann führen können, die Hände reiben. Sie warten wie Geier auf die Beute. Sollte ihnen das Schnapsimperium zufallen, würden sie es eher heute als morgen verkaufen und die Millionen, die sie dafür bekommen, mit Parties, Luxusreisen und Weibern durchbringen. Aber der Alte ist kein Dummkopf. Kaum hatte er vom Tod seiner Tochter erfahren, hat er durch seine Anwälte eine Stiftung mit dem Namen Begoña Ayllón Balaguer zur Förderung der Künste errichten lassen. Ihr wird der gesamte Erlös aus dem Verkauf von Bodegas Ayllón zufließen.«
»Heißt das, er will seine Firma verkaufen?«
»Sieht ganz danach aus.«
»Kinder tun nie, was ihnen die Eltern sagen«, sagte Munárriz mit abwesendem Blick. »Das ist das eherne Gesetz des Lebens.«
Er parkte an der Plaza Adriá und ging zum Haus in der Calle Santaló, fast an der Ecke der Calle Cópernic, in dem Begoña Ayllóns Wohnung lag. Das Gebäude roch förmlich nach Geld. Neben der Einfahrt in die Tiefgarage gab es einen Lieferanteneingang. Er drückte am Haupteingang die mit vergoldeten Schmuckelementen versehene schwere Tür aus künstlich patiniertem Stahl auf und trat in einen riesigen Vorraum mit einem dreisitzigen Ledersofa, einem Tisch, in dessen Platte ein Mittelstück aus Acryl eingelassen war, und zwei bronzenen Stehlampen, deren Schirme aus handbemalter Seide waren. Alles war wie geleckt, wie es sich für ein Gebäude dieser Art gehörte. Als der Pförtner in seiner Loge sah, wie Munárriz an die Briefkästen trat und die Namensschilder darauf neugierig musterte, kam er hinter seiner Glasscheibe hervor und fragte hochnäsig: »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ich suche die Wohnung von Begoña Ayllón.«
»Die Dame ist nicht zu Hause«, gab der Mann zur Antwort. Er wirkte nervös. »Wenn Sie ihr eine Mitteilung hinterlassen wollen, leite ich die gerne weiter.«
Munárriz sah ihn aufmerksam an. Zu einem blauen Anzug und einem weißen Hemd trug der Pförtner eine farblich abgestimmte Krawatte. Ohne das kleine Metallschild mit dem Namen des Gebäudes daran wäre niemand auf den Gedanken gekommen, dass es sich um eine Uniform handelte.
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