Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
er seinen Vorgesetzten verärgern.
Er traf pünktlich im Compostela ein, einem traditionellen galizischen Lokal, das in erster Linie Fischgerichte und Meeresfrüchte auf der Karte hatte. Freiberufler und Führungskräfte suchten es häufig zu Geschäftsessen auf, aber auch Rundfunkjournalisten und höhere Beamte der katalanischen Autonomiebehörde und der Stadtverwaltung kamen dort zusammen, um in entspannter Atmosphäre Kontakte zu pflegen. Mit einem Bier wartete er an der Bar darauf, dass jemand mit einer Aktentasche wie der beschriebenen hereinkam. Fünf Minuten später öffnete ein hochgewachsener, hellhäutiger junger Mann, der nicht nur wegen seiner gegelten Haare wie ein Fotomodell aussah, die Tür. Er trug einen eleganten Anzug, hielt eine lederne Collegemappe mit der Aufschrift COINSA unter den Arm geklemmt und sah mit fragendem Blick zur Bar hinüber.
Mit den Worten »Sebastián Munárriz« trat der Inspektor auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits.«
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Munárriz, während sie auf Barhockern Platz nahmen.
»Gern. Einen Magenbitter.«
Munárriz winkte den Kellner herbei und bestellte das Gewünschte.
»Hören Sie«, erkundigte sich Bonastre unruhig. »Sind Sie wirklich Polizeibeamter?«
»Ich kann Ihnen gern meinen Dienstausweis zeigen.«
»Bitte missverstehen Sie mich nicht, aber mir will nicht in den Kopf, dass sich ein Polizeibeamter für Begoñas Lebensumstände interessiert.«
»An der Sache ist überhaupt nichts«, versuchte Munárriz ihn zu beschwichtigen. »Wie gesagt bin ich ein guter Freund von Carlos Ayllón, und er hat mich gebeten, Verschiedenes über seine Tochter in Erfahrung zu bringen, nichts weiter. Sie sollten dem wirklich keine große Bedeutung beimessen. Sehen Sie das einfach als den etwas exzentrischen Wunsch eines Millionärs an.«
»Nun ja«, ging Bonastre darauf ein. »Der Alte ist mir immer schon etwas überspannt vorgekommen. Bei der Beerdigung habe ich Sie aber nicht gesehen«, setzte er mit leicht zweifelndem Unterton hinzu.
»Ich war leider dienstlich verhindert.«
Bonastre nippte an seinem Magenbitter. »Von mir aus können Sie fragen.«
»Wo arbeiten Sie?«, begann Munárriz, der auf keinen Fall bereit war, jemanden von vornherein von der Liste der Verdächtigen zu streichen. Es schien ihm eigenartig, dass sich der junge Mann vom Tod seiner Freundin so wenig betroffen zeigte.
»Ich bin als Ingenieur im Hoch- und Tiefbauunternehmen Construcciones Internacionales Sociedad Anónima tätig, gleich hier um die Ecke. Meine Firma arbeitet in zahlreichen Ländern auf der ganzen Welt, vielleicht haben Sie schon mal davon gehört. Die Öffentlichkeit kennt uns als COINSA. Beispielsweise bauen wir gerade den Gezhouba-Damm in China, für den die unter meiner Leitung stehende Arbeitsgruppe die Berechnungen der auf die Sperrmauer einwirkenden Kräfte durchgeführt hat.«
»Aha«, sagte Munárriz und nickte. Dann fragte er: »Seit wann kannten Sie Begoña?«
»Seit etwas über zwei Jahren«, gab Bonastre zurück. »Wir haben uns in einem Hotel in Espot kennengelernt – sie hat da einen Aufsatz über die Restauration einer romanischen Kirche in den Pyrenäen abgefasst, und ich war mit Vorarbeiten für das Projekt eines Wasserkraftwerks im Escrita-Tal beschäftigt. Danach ist es ganz normal weitergegangen: Wir haben uns gegenseitig angerufen, sie hat mich hier in Barcelona besucht, ich sie in El Puerto de Santa María, und eines Tages haben wir uns dann verlobt.«
»Sie hat nach einer Weile ihren Wohnsitz in Barcelona genommen. Warum?«
»Es gefiel ihr hier. Sie wollte sowieso von zu Hause weg, Sie wissen schon, neue Horizonte. Wir haben viel darüber geredet, und schließlich hat sie den Schritt getan.«
»Aber Sie hatten getrennte Wohnungen.«
»Na ja, um den Schein zu wahren«, lächelte er verschwörerisch. »In Wirklichkeit war sie so gut wie immer in meiner Wohnung. Ich müsste wohl besser sagen ›unsere Wohnung‹«, fügte er hinzu, »denn wir haben sie gemeinsam gekauft, und jeder hat die Hälfte bezahlt. Trotzdem hat sie die gemietete Wohnung in der Calle Santaló beibehalten, um ihre Eltern nicht vor den Kopf zu stoßen. Sie verstehen? Sicher wissen Sie, wie stockkonservativ und erzkatholisch die beiden sind und dass sie die dazugehörigen Moralvorstellungen haben. Der Vater ist ja sogar Mitglied in einer religiösen Bruderschaft, mit der er während der
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