Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
außerdem versichern, dass die dir alles sagen werden, was du wissen willst.«
»Die lassen mich aber da nicht rein«, wandte Mabel ein.
»Und haben sie dir Informationen gegeben?«
»Nur ganz oberflächlich …«
»Dann sind sie wohl mit ihrer Arbeit noch nicht fertig«, gab Munárriz zu bedenken.
»Ich bitte dich um einen Freundschaftsdienst«, drängte Mabel. Er zuckte unwillkürlich zusammen. »Natürlich werden die Behörden dem Vater zu gegebener Zeit alle Einzelheiten über den Unfall mitteilen, das ist mir schon klar. Aber das Menschliche ist denen doch völlig egal. Sie werden sich damit begnügen, ihm einen nüchternen Bericht zu schicken. Was der Mann jetzt braucht, ist ein bisschen Zuwendung und Wärme. Bitte, Sebas!«, drängte sie erneut. »Wenn du mit den Leuten von der Regionalpolizei redest, erfährst du bestimmt aus erster Hand alle Einzelheiten. Dann müssen die Eltern nicht warten, bis der Gerichtsmediziner und all die anderen ihre Ergebnisse formuliert haben und der zuständige Richter noch seinen Senf dazugegeben hat …«
»Na schön … Ich geh mal hin und seh mich um. Warte auf mich.«
Die Digitaluhr seiner kleinen Wetterstation zeigte zwanzig vor sechs. Er schaltete den Fernseher ab und sah zum Fenster hinaus. Die Plaza de la Virreina lag still und verlassen da. Ein nasskalter Wind wehte vom Meer herüber und trieb Plastikmüll und Papierfetzen vor sich her. Beim Blick auf das Barometer sah er die bildliche Darstellung von Wolken und Regen: Ein Tiefdruckgebiet näherte sich. In den nächsten Tagen würde es kalt werden und regnen.
Er nahm eine Dusche, um die Trägheit seiner spätnachmittäglichen Siesta zu vertreiben. Unter dem Dufflecoat, für den er sich anschließend entschied, um gerüstet zu sein, falls es regnete, schnallte er den Gürtel mit seiner Dienstwaffe um, einer Parabellum vom Kaliber 9 mm.
Als er durch den U-Bahn-Ausgang an der Ecke Calle Provença und Calle Sardenya nach oben stieg, ragte die als Sagrada Familia bekannte Versöhnungskirche zur Heiligen Familie gleich einem Wald aus Stein vor seinen Augen auf. Der Platz davor war nahezu menschenleer. Der kalte Wind bog die Wipfel der Bäume und wirbelte Staubwolken auf. Auf den Bänken sah man lediglich einige junge Leute, die wohl feiern wollten. Darauf deuteten jedenfalls Plastiktüten voller Flaschen mit alkoholischen Getränken, Speiseeis und Knabberzeug hin. Zu den Klängen eines aufreizend laut aufgedrehten tragbaren CD-Players klatschten junge Mädchen in die Hände und wärmten sich dabei auf.
Er ging in Richtung auf die Calle Mallorca, wo ihm mehrere Einsatzwagen der Regionalpolizei mit blitzendem Blaulicht die Unfallstelle anzeigten. Er hörte, wie jemand seinen Namen rief. Er wandte sich um und sah Mabel auf dem Gehweg. Sie kam über die Straße hinweg auf ihn zu.
»Danke, dass du gekommen bist.«
Als sie ihm zur Begrüßung einen Kuss geben wollte, drehte er das Gesicht beiseite.
»Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lassen würdest«, sagte sie mit einem Anflug von Trauer in den Augen.
»Ich hab dir schon immer aus der Hand gefressen«, gab er in selbstkritischem Ton zurück. »Genau das ist ja mein Problem.«
»Trägst du mir das immer noch nach?«
»Ich kann es nicht vergessen. Ich hab dich geliebt, und du hast mein Vertrauen enttäuscht.«
»Ich hab dich früher schon angerufen, weil ich dich um Verzeihung bitten wollte, aber du wolltest nie mit mir sprechen. Es tut mir leid«, sagte sie gequält. »Ich hab damals die Folgen nicht bedacht und wäre auch ehrlich gesagt nie auf den Gedanken gekommen, dass dich das so tief treffen könnte.«
»Das hat es weiß Gott getan«, sagte er knapp. »Du hast mich benutzt. Das hättest du nicht tun dürfen.«
»Ich hab das schon Hunderte von Malen bereut«, gestand sie mit zitternder Stimme. »Wenn ich es rückgängig machen könnte, ich würde es auf der Stelle tun, glaub mir. Aber jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als damit zu leben. Ehrlich, es tut mir Leid!«, rief sie aus. »Lohnt es sich wirklich, für so eine Sache alles über Bord zu werfen?«
»Ich möchte jetzt nicht darüber reden.«
»Du hast den Schlüssel zu deiner Wohnung nie zurückverlangt.«
»Weil ich annahm, dass du eines Abends kommen und mich um Verzeihung bitten würdest. Dann wäre alles in Ordnung gewesen.«
»Das habe ich nicht gewagt …«
»Es ist, wie es ist«, beschied er sie. »Jetzt spielt das keine Rolle mehr. Warte hier auf mich. Ich bin sicher bald
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