Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Industrial in Granada gekauft. Die Leute machen Büromöbel und vertreiben sie teils über den Großhandel, teils an Endkunden.«
Er gab Munárriz auch die Einzelheiten zu dieser Firma bekannt.
»Weitere sechshundert hat die Firma Gym Sport in Saragossa abgenommen. Die Leute machen Einrichtungen für Fitness-Studios.«
Wie zuvor diktierte er Munárriz Anschrift und Telefonnummer.
»Und der letzte Posten«, las Pérez Capellán ab, »ist an Maderas Alonso Blázquez gegangen, eine Großtischlerei in Madrid.«
Munárriz notierte sich auch die Angaben zu diesem Unternehmen.
»Genügt Ihnen das, Inspektor?«
»Ja«, gab Munárriz nachdenklich zur Antwort. »Verbindlichen Dank.«
Munárriz erhob sich, stützte die Hände ins Kreuz und beugte sich nach hinten, um seine Rückenmuskeln zu entspannen, die vom stundenlangen Sitzen vor dem Bildschirm völlig verkrampft waren. Durch das Fenster seines Dienstzimmers sah er auf die Via Laietana hinab, in der sich der Verkehr staute. Leichter Nieselregen benetzte den Asphalt und machte die Gehwege glatt wie Eisbahnen. Zwei Taxis stießen zusammen, als das vordere scharf vor einer Ampel abbremste, die auf Rot sprang. Gebrüll, gegenseitige Beschimpfungen der beiden Fahrer, Drohgebärden … Der Stress suchte sich sein Ventil in Gewalttätigkeit. Die Städte fingen an, ihre Bewohner aufzufressen, wie eine Krebsgeschwulst den Körper, in dem sie entsteht, doch niemand schien sich weiter daran zu stören. Während man sich in Großstädten über den Regen ärgerte, freuten sich die Menschen in Elanchove im Herbst oder Winter darüber, weil solche grauen Tage eine Gelegenheit boten, die ganze Familie um den heimischen Herd zu versammeln. In Barcelona versuchten die Menschen, vor dem Regen davonzulaufen wie vor einer tödlichen Krankheit, und die Leuchtreklamen der Geschäfte warfen ein stählernes Glitzern auf die nassen Bürgersteige. Es kam ihm vor wie das Glitzern eines unsichtbaren Dolches, der die Fußgänger bedrohte.
Er setzte sich erneut an seinen Schreibtisch, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer der Eisenwaren-Großhandlung in Guecho. Der Mitarbeiter, den er an den Apparat bekam, teilte ihm mit, dass die Schlösser in Schränke einiger von Ursulinen geleiteter Grundschulen für behinderte Mädchen eingebaut worden seien. Bei dem Unternehmen in Granada erfuhr er, dass es die Schlösser für Büromöbel verwendet hatte, die nach Südamerika exportiert worden waren. Der Einkaufsleiter von Gym Sport schließlich teilte ihm mit, man habe die von der Firma Pérez Navarro & Söhne bezogenen Schlösser in die Spinde der Umkleideräume einer Kette auf Bodybuilding spezialisierter Fitness-Studios eingebaut. Bevor Munárriz bei der Firma Maderas Alonso Blázquez in Madrid anrief, holte er sich eine weitere Tasse Kaffee. Er bekam den Betriebsleiter ans Telefon, und dieser teilte ihm nach Durchsicht seiner Unterlagen mit, dass die zweihundert Schlösser, zu denen der Schlüssel mit der Bezeichnung »Tefro LCE-015918-Z« gehörte, im Zuge der kürzlich erfolgten Renovierung der Spanischen Nationalbibliothek in deren Schließfächer eingesetzt worden seien.
Gedankenvoll ging Munárriz die Ergebnisse seiner Nachforschung durch. Auf keinen Fall konnte sich Begoña Ayllón in dem kurzen Zeitraum zwischen ihrem Besuch in Soria und dem Zeitpunkt, da sie auf dem Gelände der Sagrada Familia tot aufgefunden worden war, in Südamerika aufgehalten haben. Ebenso wenig konnte er sich vorstellen, dass sie nach ihrer Beschäftigung mit der Rosette und den Kragsteinen der Wallfahrtskapelle von San Bartolomé sowie einem merkwürdigen T-förmigen Kreuz eine Schule für behinderte Mädchen oder gar ein Fitness-Studio mit schwitzenden Muskelmännern aufgesucht hatte. Da war die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass sie nach Madrid gefahren war, um in der Nationalbibliothek zu bibliographieren. Ja, das dürfte es sein. Vermutlich gehörte der Schlüssel auf seinem Schreibtisch zu einem der Schließfächer dort. Doch durfte er auf keinen Fall etwas als gegeben hinnehmen, er musste unbedingt jeder Spur nachgehen. Nachdem er die drei anderen Möglichkeiten verworfen hatte, beschloss er, gleich am nächsten Morgen nach Madrid aufzubrechen. Da der Flug nur eine knappe Stunde dauerte, müsste es ohne Weiteres möglich sein, dort den Spuren Begoña Ayllóns zu folgen und am selben Abend nach Barcelona zurückkehren.
Zehn Minuten vor neun stand Munárriz am Eingang der Nationalbibliothek
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