Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
sein, dass er nichts übersehen hatte, wiederholte er den Vorgang und gab Munárriz die Hälfte der Blätter, damit er sich selbst überzeugen konnte. Nach einer Weile tauschten sie ihre Stapel aus. Nichts.
»Sie hat hier im Lesesaal kein einziges Buch eingesehen.«
»Es ist aber sicher, dass sie an den beiden Tagen hier war«, ließ Munárriz nicht locker.
»Hat die betreffende Person«, fragte Blasco im Bestreben, ihm weiterzuhelfen, »möglicherweise eine spezielle Lesekarte, das heißt, ist sie zum Beispiel Wissenschaftlerin?«
»Kann sein«, gab er zurück. »Man hat mir gesagt, die zweite Kategorie. Was für eine Rolle spielt das?«
»Sehen Sie«, erläuterte Blasco, »eine einfache Lesekarte, wie sie beispielsweise Studenten bekommen, gestattet lediglich den Zutritt zum allgemeinen Lesesaal. Dort können ausschließlich Werke eingesehen werden, die nach 1831 erschienen sind. Die Lesekarte der anderen Kategorie ist Spezialisten vorbehalten, sagen wir Lehrstuhlinhabern, Privatdozenten, Autoren und Verlagslektoren. Sie gestattet den Zugriff auf den gesamten Bestand der Bibliothek: Inkunabeln, Stiche, Handschriften, alte Landkarten, und so weiter …«
»Bei der Inhaberin dieser Lesekarte handelt es sich um eine auf die Restaurierung historischer Bauwerke spezialisierte Kunsthistorikerin.«
»Da gibt es zwei Möglichkeiten«, sagte der Bibliothekar nachdenklich. »Entweder hat sie im Cervantes-Saal Bücher oder im Goya-Saal Stiche eingesehen. Beide Räume sind Wissenschaftlern vorbehalten. Sollen wir dort einmal nachsehen?«
»Das wäre mir sehr recht.«
Durch den allgemeinen Lesesaal, in dem inzwischen zahlreiche Studenten und Studentinnen eifrig arbeiteten, die Reprographie-Abteilung und einen langen Gang gelangten sie in den Cervantes-Saal. Er war deutlich kleiner als der allgemeine Lesesaal und so gut wie leer. Lediglich zwei Männer und drei Frauen vorgerückten Alters exzerpierten dort an gut beleuchteten großen Tischen verschiedene Werke. Blasco machte Munárriz darauf aufmerksam, dass in diesem Raum als Schreibgerät ausschließlich Bleistifte zugelassen waren. Der Gebrauch von Kugelschreibern, Füllhaltern, Filzstiften und dergleichen sei streng verboten, um Beschädigungen der überaus wertvollen Werke zu verhindern. Dann trat er zur Saalaufsicht.
»Plácido«, sagte er flüsternd, »wir wüssten gern, ob jemand hier an bestimmten Tagen Bücher eingesehen hat.«
»Hast du die Nummer der Lesekarte?«
»Ja. Einhundertfünfzehntausendzweihundertsechs.«
»Und die Tage?«
»Vorigen Donnerstag und Freitag«, gab ihm Munárriz Auskunft.
»Gut.« Er notierte sich die Angaben und verschwand mit den Worten »Ich bin gleich wieder da« hinter einer Tür. Blasco nutzte die Gelegenheit, Munárriz zu erläutern, dass gewisse besonders seltene oder empfindliche Werke ohne Sondererlaubnis der Bibliotheksleitung von niemandem eingesehen werden durften, nicht einmal von den Forschern. Ohnehin stünden die meisten von ihnen in Form von Mikrofiches unbeschränkt zur Verfügung und ließen sich mittels der dafür aufgestellten Lesegeräte konsultieren.
»Na bitte«, sagte der für den Cervantes-Saal Zuständige und schwenkte einige Bestellzettel. »Nummer einhundertfünfzehntausendzweihundertsechs hat am Donnerstag und Freitag jeweils drei Bücher eingesehen.«
»Darf ich …«, fragte Munárriz ungeduldig.
»Aber natürlich«, gab er Mann zurück und übergab ihm die Zettel.
Munárriz erkannte Begoña Ayllóns Handschrift sofort wieder. Es war dieselbe wie auf dem an Francisco Bonastre adressierten Umschlag mit dem Buch und dem Schlüssel. Auf den Bestellzetteln hatte die Restauratorin mit Bleistift außer dem Datum, ihrem Namen und der Nummer ihrer Lesekarte auch die gewünschten Autoren und Werke mitsamt ihrer Signatur verzeichnet, während die Saalaufsicht den ihr zugewiesenen Arbeitsplatz vermerkt hatte. Munárriz las die Titel. Es handelte sich um lateinische und französische Werke, die aus längst vergangenen Zeiten zu stammen schienen.
Mit der Frage »Könnten Sie mir freundlicherweise sagen, worum es in diesen Büchern geht?« gab er Andrés Blasco die Zettel. Dieser nickte. Er schien genau zu wissen, worum es sich bei den von der Restauratorin eingesehenen Werken handelte. Schließlich hatte er seinen Beruf als Bibliothekar von der Pike auf gelernt. Er führte Munárriz zu einem etwas abseits stehenden Tisch, um die übrigen Benutzer nicht zu stören.
»Es geht um Alchemie«, sagte er mit
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