Sag's Nicht Weiter, Liebling
ganzen Tag im elften Stock oder so.
Trotzdem, als ich auf die Glastür zugehe, werde ich langsamer und linse erst mal hinein, ob er da ist.
»Alles klar, Emma?« Dave, der Wachmann, öffnet mir die Tür. »Du siehst so verloren aus.«
»Ach was! Danke, alles klar.« Ich lache entspannt, mein Blick saust aber weiterhin durchs Foyer.
Ich entdecke ihn nirgends. Okay. Es wird alles gut gehen. Wahrscheinlich ist er noch gar nicht da. Wahrscheinlich kommt er heute gar nicht. Zuversichtlich werfe ich das Haar zurück und gehe schnurstracks über den Marmorboden und die Treppe hoch.
»Jack!«, höre ich plötzlich, als ich kurz vor dem ersten Stock bin. »Haben Sie einen Moment Zeit?«
»Natürlich.«
Es ist seine Stimme. Wo zum Teufel …
Ich drehe mich verwirrt um und sehe ihn im Gespräch mit Graham Hillingdon auf dem Treppenabsatz über mir. Mein Herz macht einen Hüpfer, und ich klammere mich am Messinggeländer fest. Mist. Wenn er jetzt herunterguckt, sieht er mich.
Warum muss er ausgerechnet da herumstehen? Kann er nicht in irgendein großes, wichtiges Büro gehen?
Egal. Macht ja nichts. Ich kann ja einfach … woanders langgehen. Ganz langsam gehe ich ein paar Schritte die Treppe wieder hinunter und bemühe mich, nicht mit den Absätzen auf dem Marmor zu klappern und keine plötzliche Bewegung zu machen, damit ich nicht seine Aufmerksamkeit errege. Wie ich da so langsam rückwärts gehe, kommt Moira aus der Buchhaltung mit verwundertem Gesichtsausdruck an mir vorbei, aber das ist mir egal. Ich muss hier weg.
Sobald ich aus seiner Sichtweite bin, entspanne ich mich und gehe zügiger wieder hinunter. Ich fahre einfach mit dem Aufzug. Kein Problem. Frohgemut durchmesse ich das Foyer, aber mitten auf der Marmorfläche erstarre ich.
»Das stimmt.« Schon wieder seine Stimme. Und sie scheint näher zu kommen. Oder bin ich schon paranoid?
»… ich mir genauer ansehen …«
Ich drehe den Kopf. Wo ist er? In welche Richtung geht er?
»… bin davon überzeugt, dass …«
Mist. Er kommt die Treppe herunter. Ich kann mich nirgends verstecken!
Ohne nachzudenken renne ich fast zur Glastür, drücke sie auf und stürze aus dem Gebäude. Ich hetze die Treppe hinunter, renne hundert Meter die Straße entlang und bleibe keuchend stehen.
Das läuft ja gar nicht gut.
Ein paar Minuten stehe ich in der Morgensonne auf dem Bürgersteig herum und versuche abzuschätzen, wie lange er im Foyer bleiben wird, dann nähere ich mich vorsichtig wieder den Glastüren. Andere Taktik. Ich werde so unglaublich flott in mein Büro marschieren, dass ich niemandes Blick begegne. Dann ist es egal, ob ich Jack Harper begegne oder nicht. Ich werde forsch ausschreiten, ohne nach rechts oder links zu gucken, und, ach du lieber Gott, da ist er und spricht mit Dave.
Ohne es zu wollen, flüchte ich wieder nach draußen.
Das ist ja lächerlich. Ich kann ja nicht den ganzen Tag auf der Straße verbringen. Ich muss an den Schreibtisch. Los, überleg dir etwas. Es muss doch eine Möglichkeit geben. Es muss doch …
Ja! Ich habe eine hervorragende Idee. Das funktioniert auf jeden Fall.
Drei Minuten später nähere ich mich einmal mehr den Glastüren des Panther-Gebäudes, völlig vertieft in einen Artikel in der Times . Ich nehme nichts um mich herum wahr. Und niemand kann mein Gesicht sehen. Das ist die perfekte Tarnung!
Ich drücke mit der Schulter die Tür auf, gehe durchs Foyer
und die Treppe hoch, ohne einmal aufzusehen. Als ich über den Flur zur Marketingabteilung gehe, fühle ich mich sicher und geborgen in meiner Times . Das sollte ich öfter tun. Hier drin kann mir niemand etwas. Es ist ein sehr beruhigendes Gefühl, fast als wäre ich unsichtbar, oder …
»Oh! Entschuldigung!«
Ich bin mit jemandem zusammengestoßen. Mist. Ich lasse die Zeitung sinken und schaue Paul in die Augen, der sich den Kopf reibt.
»Emma, was zum Teufel machen Sie denn?«
»Ich habe nur die Times gelesen«, sage ich schwach. »Tut mir wirklich Leid.«
»Schon gut. Wo waren Sie überhaupt? Ich brauche Sie für Tee und Kaffee beim Abteilungsmeeting. Zehn Uhr.«
»Wieso Tee und Kaffee?«, frage ich erstaunt. Normalerweise gibt es bei den Abteilungsmeetings nichts zu trinken. Tatsächlich tauchen da meist nur etwa sechs Leute auf.
»Heute gibt es Tee und Kaffee«, sagt er. »Und Kekse. Okay? Ach so, und Jack Harper kommt auch.«
»Was?« Konsterniert starre ich ihn an.
»Jack Harper kommt auch«, wiederholt Paul ungeduldig. »Also beeilen Sie
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