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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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dass mit vorne auch vorne gemeint ist. Und nicht etwa hinten.
    Pling! Mit einem klirrenden Geräusch springen die Leuchtröhren über der Bühne wieder an. Und dort steht – wie Kai aus der Kiste – Dwaine im strahlend weißen Anzug. Er hat einen Arm nach oben gereckt, der andere zeigt zum Boden. Soll das etwa John Travoltas Pose aus Saturday Night Fever sein? Und als wäre das noch nicht grotesk genug, hat er links und rechts von sich jeweils zwei knapp bekleidete Go-go-Girls plaziert. Gleichzeitig erklingt in ohrenbetäubender Lautstärke eine Mucke, die ich als die ersten Takte von Keshas Tik Tok erkenne. Die Go-gos springen im Rhythmus der Musik auf und ab und sind dabei den Kaarster Cheerleadern nicht ganz unähnlich. Was für ein unglaublicher Auftakt – ich möchte im Boden versinken. Warum hat Dwaine bei der Vorbereitung nichts davon erwähnt, was für ein Spektakel er hier abziehen will?
    Von hinten kann ich natürlich die Gesichter der Zuschauer nicht sehen, ich pirsche mich also von der Seite nach vorne. Die Musik wird jetzt leiser, die Go-gos hören auf zu hüpfen und verziehen sich von der Bühne, stattdessen beginnt Dwaine in sein Mikro zu schreien.
    »Männer!«
    Seine Zuschauer, das kann ich jetzt erkennen, schauen ihn erstaunt an. In ihren Gesichtern steht ziemlich deutlich geschrieben: Was will der Verrückte von uns?
    Dwaine schreit noch mal: »Männer!«
    Die ersten so Angesprochenen beginnen, unruhig auf ihren Stühlen hin und her zu rutschen. Kein Wunder: Vor ihnen steht ein hysterischer Typ im weißen Anzug, der nicht nur eine Vollmeise hat, sondern von dem man auch vermuten muss, dass er gemeingefährlich sein könnte. Bevor die Zuschauer jedoch etwaige Fluchtgedanken in die Tat umsetzen können, springt Dwaine von der Bühne und rennt auf die erste Reihe zu.
    »Ich weiß, ihr seid erstaunt. Erstaunt, weil euch so schon sehr lange niemand mehr genannt hat. Männer. Ihr seid Männer. Aber werdet ihr auch so behandelt?« Er steht jetzt direkt vor einem der beiden Polyesterpullover. Der guckt ihn verschüchtert an. »Ich will wissen, ob ihr auch so behandelt werdet?«
    »Nein?«, erwidert der Pullover, allerdings so schüchtern und zaghaft, dass es eher nach einer Frage als nach einer Antwort klingt.
    »Lauter!«, fordert ihn Dwaine auf.
    Der Mann räuspert sich und ruft schließlich ganz deutlich: »Nein!«
    »Wie heißt du?«
    »Uwe.«
    Dwaine wendet sich an die anderen Zuschauer. »Ihr habt es gehört: Uwe wird nicht wie ein Mann behandelt. Und? Ist Uwe ein Mann? Ruft es laut und deutlich!«
    »Ja!«, tönt es jetzt wirklich ziemlich laut von den neunundzwanzig anderen Männern. Faszinierend … Auf einmal verspricht es, ein spannender Abend zu werden.
    Dwaine steigt derweil wieder auf die Bühne. »Was denkt ihr, warum wird Uwe nicht wie ein Mann behandelt?« Ratloses Schweigen. »Ich werde es euch sagen: Weil sich Uwe nicht wie ein Mann benimmt. Wie ein Mann! Denkt genau über dieses Wort und seine Bedeutung nach! Denn ich garantiere euch, wir benehmen uns alle nicht mehr wie Männer. Es wurde uns aberzogen. Wir benehmen uns stattdessen wie zahme Hauskater. Wir huschen ins Körbchen, wenn man es uns befiehlt. Wir streunen nicht. Wir gehorchen. Aber ich sage euch: Wer ein Löwe sein will, muss aufhören, sich wie ein Kater zu benehmen! «
    Den Katern stehen die Münder vor lauter Staunen offen; ich kämpfe mit einem Lachanfall.
    »Aber jetzt kommt die gute Nachricht!«
    Na, da bin ich mal gespannt.
    »Eure Rettung ist nah! Ich werde euch helfen, wieder zu Löwen zu werden, und zu Männern. Und wenn ihr endlich wieder die Männer seid, die ihr sein könnt, dann werdet ihr auch bekommen, was euch zusteht!« Er macht eine bedeutungsschwere Pause. »Uwe!«
    »Ja?« Uwe klingt immer noch ein bisschen verschüchtert. Eben eindeutig Stubentiger, nicht Löwe.
    »Was steht dir zu?«
    »Äh, mir?«
    »Natürlich! Was steht dir zu?« Dwaine klingt ungeduldig. Er kann offenbar nicht fassen, dass Uwe diese einfache Frage nicht beantworten kann. Mir ist allerdings auch nicht klar, worauf Dwaine gerade hinauswill. Schätze aber mal, er meint nicht die vermögenswirksamen Leistungen auf Uwes Bausparvertrag.
    »Ich weiß jetzt nicht so ganz, was Sie meinen.« Uwes Stimme ist vor lauter Aufregung ganz hoch und schrill.
    »Frauen! Uwe, dir stehen Frauen zu!«
    »Ach?« Uwe klingt ungläubig. Dwaine springt wieder von der Bühne herunter und läuft vor seinem Auditorium hin und her.
    »Männer! Wir sind

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